Wenn Kommunikation elektrisiert
Das dritte Gericht aus der St. Ingberter Pfanne
Frank Sauer ist bei der St. Ingberter Kleinkunstwoche kein Unbekannter: Bereits 1999 erhielt er eine der begehrten Pfannen als Mitglied des Duos “Nestbeschmutzer”. Aber die Pfanne hängt beim Duo-Partner Gerd Weismann, und Frank Sauer will jetzt endlich seine eigene. Deshalb tritt er mit seinem vierten Soloprogramm “Vom Tellerwäscher zum Geschirrspüler – ein Erfolgsmodell” an. Kabarett und Multimedia führt Sauer hier zusammen. Das ganze Programm sei im Computer, der auf einem Tisch auf der Bühne steht und dessen Filme und Bilder auf eine Leinwand projiziert werden. Er will sich mit dem Erfolg beschäftigen, auch mit dem des Kabarettisten. Deshalb hat er ein Buch dabei: Den Ratgeber für die perfekte Bühnenshow, in dem er immer wieder nachschlägt. Aus einem Zungenbrecher über dicke Dachdecker entwickelt er einen feinen Rap, indem er auf dem Buch trommelt. Und trotz seiner Ähnlichkeit mit Bruce Willis, insbesondere was die Frisur angeht, ist er nicht nach Hollywood gegangen: Dort seien schließlich nur die, die es nicht nach Sankt Ingbert geschafft hätten. Die halbe Regierungsmannschaft zieht Sauer mit einer Photoshop-Präsentation durch den Kakao. Aber er zeigt auch andere Typen, wie den angebenden Gescheiterten, den er beim Klassentreffen wieder trifft. Er muß nur sein Jackett ausziehen und eine prollige Kette anlegen. Um Erfolg zu haben, denkt Frank Sauer auch bei Niederlagen positiv – egal, was an dem Tag alles schiefgegangen ist: Er will es trotzdem schaffen: Obwohl ein schlechter Witz über niedliche Tiere das Publikum in ein Stimmungstief zieht, gibt Sauer nicht auf. Er blickt in den Ratgeber und trägt die bombensicheren Lacher aus dem Buch vor. Sauer läßt sich auch über den Schwaben und die Klischees über ihn aus, z.B. beim Spätzlekauf. Multimedial wird es wieder, wenn er ein Vorstellungsgespräch spielt. Sein Gegenüber, der Personalchef, blickt dann von der Leinwand auf ihn herab. Sauer steigt bisweilen aus seiner Rolle aus und zeigt sich selbstironisch. Auch nachdenkliche Momente gibt es in seinem Programm: Er fragt sich, ob der Mensch wirklich das Erfolgsmodell der Evolution ist. Andere Arten leben seit Millionen Jahren ungestört vor sich hin, haben sich aber auch nicht weiterentwickelt. Ziemlich leise wird es im Publikum, wenn er vorrechnet, dass alle 6,5 Milliarden Menschen rein rechnerisch auf die Fläche des Bodensees passen. Und stünden sie dort, stiege der Bodensee nur um 84 cm an. Um zu zeigen, dass es mit der Menschheit nicht immer soweit her ist, läßt er am Ende den Proll vom Klassentreffen einen prima Angebersong singen. Sauer ist in seinen Rollen abwechslungsreich und glaubhaft. Er hat das Publikum gut in der Hand, wenn er von dem Tag erzählt, an dem alles schief geht, lacht das Publikum laut auf – hinterfragt er den Menschen als Krone der Schöpfung, wird es still im Saal. Der Einsatz des Computers mit all seinen Möglichkeiten im politischen Kabarett ist neu. Ein Favorit für den Extrapreis?
“Ich höre was, was Du nicht sagst”. Der Titel lässt es vermuten: Es geht um Beziehungsprobleme. Die Chanteuse Madeleine Sauveur und ihr musikalischer Begleiter Clemens Maria Kitschen nutzen in ihrem musikalischen Programm Flügel, Gitarre und Akkordeon. Madeleine singt seit sechs Jahren überwiegend eigene Lieder. Sie reagiert allergisch auf gute Ratschläge und singt über Männer, die schweigen. Ein bekanntes Problem, dass sie zunächst attraktiv und später nur noch langweilig sind. Und gerade diese Bekanntheit des Problems lässt manchen Zuschauer gedanklich etwas abschweifen: Habe ich das nicht schon mal gehört, bei wem habe ich das schon gehört, wie war das damals nur instrumentiert? – und schwupps ist das Lied vorbei und auch die Nummer über die Produktnamen. Bekanntlich kann nicht jeder Name global vermarktet werden, erinnert sei an den Whisky der Marke “Mist”. Da kann eine Übersetzung helfen. Madeleine Sauveur übersetzt flugs die Einbauanleitung eines Staubsaugerbeutels in Russische und macht daraus eine echt klingende Volksweise. Interessant wird es auch, wenn sie bekennt, sie wäre gerne Carla Bruni – würde aber mit Sarkozy trotzdem nicht ins Bett gehen.
Sie ist in den Vierzigern und hat zwei Kinder. Deshalb erzählt sie von der in ihr wachsenden Gerührtheit und der stetig steigenden Bedeutung des Muttertages. Kitschen reagiert darauf mit einem Medley, in denen Mütter eine Rolle spielen. Richtig interessant wird es, als Sauveur die Ängste einer Mutter in einem Lied beschreibt, deren Sohn sie erstmals mit der neuen Freundin besucht. Doch alles geht gut, denn die Freundin akzeptiert die Mutter. Schade, dass hier nicht weitergedacht wurde und mehr Geschichten über die Generation 40plus erzählt werden. Man muss ja nicht gleich einen Blues über die Frau am Rollator schreiben oder sie in einem fiesen Quickstep über die Bühne tanzen lassen. Aber das Thema “Männer und Frauen” ist schon von so vielen Seiten her beleuchtet worden, dass ein weiterer Spot mehr dunkle Schatten als Erleuchtung erzeugt.
Bühne frei für einen Kleinkunst-Rocker oder Liederkracher. Stefan Ebert heißt der 29-jährige Mannheimer, der Ausschnitte aus seinem Programm “Du kannst nicht alle haben” zeigt. Ebert steht auf Frauen. Er möchte todsichere Anmachtips vermitteln und macht Exkurse in biologische und außerirdische Welten. Hierfür bearbeitet er seine elektrische Gitarre, einen Sequenzer und eine Nintendo-Spielkonsole. Und weil all diese Instrumente elektrisch betrieben werden, beginnt er mit einer Hymne an den elektrischen Strom. Dabei zaubert er den Beat aus einer Brummschleife: jenem merkwürdigen Brummen, das entsteht, wenn man einen Klinken-Anschluss in die Hand statt in den Verstärker steckt. Seine größte Schwäche ist, wahrscheinlich kein guter Zombie zu sein. Diese Antwort passt sowohl beim Vorstellungsgespräch als auch beim ersten Date. Stefan Ebert berichtet von seinen Erfahrungen als Musiker bei Veranstaltungen: “Guten Tag, ich bin die Musik”. Er kämpft dabei um Freigetränke und den rechten Platz für seine Instrumente. Er will schließlich nicht der Pianoman, sondern der Forteman sein. Ganz leger in Jeans-Anzug und offenem Hemd gekleidet, schlägt er vor, sich bei Konflikten die Bonobo-Affen zum Vorbild zu nehmen. Diese Tiere leben ungewöhnlich friedlich miteinander, weil sie aufkommende Konflikte mit heftigem Geschlechtsverkehr aus dem Weg räumen. Er tanzt zu dieser Sequenzer-Komposition geschickt über die Bühne und steht gleichzeitig darüber ist, indem er sagt: “Wem das zu pubertär war, der kann mich mal!” Das Publikum freut es. Aber Stefan Ebert kann auch anders: Fein und poetisch beschreibt er in dem Song “Getrennt oder zusammen” den Beginn einer Beziehung. Das Gegenteil findet in “Sie hat nein gesagt” statt. Und weil dieses Lied nur sehr kurz ist, läßt sich vermuten, dass Ebert einige Lebenserfahrung hat – oder wenigstens gute Vorsätze! Auch eine kleine Rockoper führt er auf. Der alten Nintendo-Spielkonsole entlockt er einen Elektrosong über das Weltall. Der harte Elektro-Sound, eine Weiterentwicklung des Techno, wird durch einen Nonsenstext mit Binnenreimen erstklassig gebrochen. Schließlich ist “im Weltraum den ganzen Tag über Nacht”. Das überzeugt das Publikum. Sein Lied “Wer möchte” ist ein Hiphop, der ihn bei der Partnerinnensuche in gleißendes Licht stellt. Schon in seinem ersten Programm zeigt Stefan Ebert neue Formen des Musikkabaretts: minimalistisch und extrem elektrisch. Manche sind hart und kalt – so wie das Leben eben manchmal ist.
Gilles Chevalier © 2010 BonMoT-Berlin Ltd.
http://www.franksauer.net
http://www.madeleine-sauveur.de
http://www.stefan-ebert.de
Liveundlustig-Berichte über die Sankt Ingberter Pfanne 2013 / 2012 / 2011