Viel Grebe für ein Halleluja!
BERLIN (bm) – Der 40. Geburtstag ist ein Meilenstein im Leben. Danach darf man bei den Großen mitspielen. Der Kleinkünstler – dieser unsägliche Ausdruck kommt hier absichtlich zum Einsatz – Rainald Grebe hat ein Großereignis draus gemacht. Wenn Mario Barth schon im Olympiastadion auftritt, rockt er wenigstens die Waldbühne. Bilanz dieses größen-wahnsinnigen Vorhabens: positiv.
Weg von den Kabarettkaschemmen, raus aus dem miesen Muff, an die frische Luft: Zurück zur Natur. So heißt sein neues Album, das grüne. Die gute alte Waldbühne hat mit Gewißheit ihren Teil zum Gelingen des Konzerts beigetragen. Wenn die Dämmerung sich senkt, entfaltet sie einen einzigartigen Zauber. Am Nachmittag waren noch Gewitter und Schauerregen über Berlin und Prenzlingen und Brandenburg nieder gegangen. Doch kurz vor Beginn von Halleluja Berlin riß der Himmel auf. Die Sportvorführungen im Vorprogramm wurden von der Abendsonne beleuchtet. Unter anderem zwei Boxer im Ring, der mitten in der Manege aufgebaut war und auf dem Rainald Grebe zunächst minimalistisch nur von akustischer Gitarre und kleinem Schlagzeug begleitet das Konzert eröffnete.
Seine ganz eigene Mischung aus Understatement und Arroganz erlaubt es ihm, die größten Unverschämtheiten und den haarsträubendsten Blödsinn in einem Atemzug mit scheinbar nicht ernst gemeinter Gesellschaftskritik rauszuhauen. Im nächsten Moment lächelt er wieder versöhnlich, und keiner weiß, wie’s gemeint war. Jeder kann sich das selbst zusammeninterpretieren. So ist schließlich jede Meinung vertreten. „Ich bin massenkompatibel!“
„Böses, böses CO2“ skandieren alle, nur weil er es so will. Und auch „Im tipi, im tipi, da macht der Wowi Pipi“ will ihm keiner übel nehmen, erst recht nicht Strahlemann Wowereit, der just in dem Moment von der Kamera eingefangen wird und höchst amüsiert von der Großbildleinwand in die Runde winkt. Ja, das ist Berlin! Halleluja Berlin war als ein Fest gedacht, und es ist ein fulminantes geworden. Im Laufe des Konzerts bevölkerten immer mehr Musiker die Bühne, bis das Waldbühnenorchester mit Streichquartett, DJ, Blaskapelle und dem Orchester der Versöhnung seinen vollen Sound entfalten konnte.
Ein tierisches Vergnügen: Da stolziert das Dromedar Jussuf über die Bühne, mal in Gummistiefeln, mal auf Rollschuhen. Hans Krüger, der Comedian mit der Berliner Nuschelfresse domptiert Tierattrappen, einen grünen Papagei, der sich einbildet, ein Falke zu sein, und ein Riesenkrokodil, das sich nicht für Bauchrednernummern eignet, weil es taubstumm ist. Nicht fehlen durfte auch der weiße Hase, den Schlagzeuger „Martin Brauer aus der Hansestadt Rostock“ immer raucht, und seine vier aufblasbaren Artgenossen im XXL-Format. Große Freude kommt auf, als René Marik die Puppen tanzen läßt: Frosch Falkenhorst im Dialog mit dem blinden Maulwurfn – rapante, rapante.
Selbstverständlich hat Grebe einige seiner Hits abgeliefert: Dörte (du bist der Ausstieg aus der Spaßgesellschaft), Ich bin der Präsident, Das war das 20. Jahrhundert, Prenzlauer Berg, 30jährige Pärchen und den großartigen Diktator der Herzen. Das Konzert gipfelte im Hymnenblock der Bundesländer, der – wie hätte es auch anders sein können? – mit Brandenburg endet – zusätzlich zum Orchester jetzt noch ein großer Chor. Da hält es niemanden mehr auf den Sitzen, 14.000 Waldbühnenbesucher stehen auf und singen „Brandenburg, in Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt!“. Auf’s Stichwort „Halleluja Berlin“ entrollen sich riesige Berlin-Flaggen vor der Bühne. Taschenlampen, Feuerzeuge, Wunderkerzen, SmartphoneApps winken Romantik in die Nacht. Punkt 23 Uhr ist Schluß, denn „hier im Wald, wohnt eine Anwaltskanzlei, die bei der Arbeit nicht gestört werden möchte.“
Halleluja Berlin, eine gelungene Show. Da macht es fast gar nichts aus, daß Grebes großspurige Ankündigung, er werde zu Anfang auf einem weißen Wallach in die Waldbühne einreiten, reichlich daneben gegangen ist. Es wirkte eher erbärmlich, wie er sich auf den Schimmel raufrobbte, und versprühte auch nicht die geringste Spur von Indianerstolz, als eine Squaw (!) das edle Tier, das störrisch scheute, mit Grebe oben drauf am Zaumzeug in die Arena führte. Nein, ein Reiter ist er nicht. Er sollte lieber bei den unechten Tieren bleiben.
Last but not least: Vielen Dank an die Technik. Der Sound war perfekt. Das ist bei einer derartigen Veranstaltung keine Selbstverständlichkeit. Großes Kompliment an die Kameraleute, die immer wieder witzige Motive auf der Bühne und im Publikum ausfindig gemacht haben, und an die Bildregie, die daraus mit sicherer Hand einen schnell geschnittenen Live Clip für die Großbildleinwand produziert hat.
Beate Moeller © 2011 BonMoT-Berlin
Hat jemand gute Fotos gemacht und möchte sie uns zur Verfügung stellen? Bitte an lachen@liveundlustig.de schicken!
Hier gibt’s ein kurzes Video
verwandte Beiträge auf live und lustig:
Romanze in Grün – Eiapopeia für Ökospießer
Eher durch Zufall bin ich zu dem Konzert gekommen… Eine Woche vorher Karten gekauft und dann mit Freunden dahin.
Der Abend war riesig! Das habe ich so selten erlebt, dass eine Veranstaltung keine Längen hatte. Besonders zustimmen muss ich aber, dass der Diktator der Herzen richtig klasse war. Es ist jetzt Donnerstag danach… der Ohrwurm ist geblieben.
Anfangs hatte ich aber Sorge, dass herr Grebe nicht den Abend durchhalten würde. Bei den Volksliedern und diversen Sprints wirkte er doch ziemlich fertig. Muss aber dann doch an der Raucherlunge gelegen haben ;).
Ich war und bin begeistert! Super Abend.
Das alles reicht ja wohl nicht aus, um dieses großartige Ereignis am gestrigen Abend zu beschreiben. Tschuldigung, Frau Moeller, aber Sie hätten mal damit anfangen sollen: „Berlin erlebt den Event des Jahres, Ausnahmekünstler Rainal Grebe rockt die Waldbühne.“ Wir waren lange drauf vorbereitet, wir haben Flaggen und Knicklichter gekauft, Texte geübt und Fan-T-Shirts drucken lassen. Es war „das“ Ereignis für jeden Rainald-Grebe-Fan. Und wir wurden nicht enttäuscht: Es ist nichts negatives zu berichten, keinerlei Pannen oder ähnliche Dinge, alles wollten wir Fans so sehen, wie es war! Ich bin unwahrscheinlich froh, an diesem Abend die 200 km nach Berlich gefahren zu sein, um mit all den Freunden dieses großartige Konzert zu erleben. Danke Rainald, und wir kommen auch wieder, wenn du beim nächsten Mal wieder in Aschersleben mit den Schwimmnudeln badest! Danke, danke, danke! Viele liebe Grüße von Ina Siebert.
Wow – bin begeistert von so viel Begeisterung! Hat denn einer von den gut vorbereiteten Fans auch ein paar Fotos geschossen, von denen er uns ein besonders gelungenes zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen könnte? Darauf freut sich
Beate Moeller