Dritter Wettbewerbstag in Sankt Ingbert 2011 – Kritik

Susanne Pätzold & Alex Burgos, Anny Hartmann und die A-Capella-Formation High Five

Plakat St. Ingbert 2011 (www.sanktingbert.de)SANKT INGBERT (gc) – Um eine Geschichte zu erzählen, muss man nicht unbedingt reden. Man kann sie auch gestisch oder tanzend erzählen. Susanne Pätzold und Alex Burgos wollen erzählen, und zwar ihre Liebesgeschichte. In „Bis dass der Tanz uns scheidet“ sind die beiden sind Ela und Adam und hatten mal etwas miteinander. Oder sie haben noch etwas miteinander, da sind sie sich selbst nicht einig.

In New York haben sie sich bei einem Funky Beat kennengelernt und sind sich bei einem mitreißendem Salsa nähergekommen. Tanzend ziehen sie sich an und stoßen sich wieder ab, bis nur noch Nähe bleibt. Solange sie tanzen sind sie zwei Körper in Harmonie, aber wenn sie zu erzählen beginnen, werden Differenzen deutlich. Die üblichen Probleme einer Partnerschaft werden verbal formuliert und zugespitzt, bis sie tänzerisch entladen werden. Auch das gemeinsame Ritual, mit dem Körper nach hinten zu fallen und dann aufgefangen zu werden, kann die Differenzen der Partnerschaft nur übertünchen.

Susanne Pätzold_ PlakatmotivPätzold und Burgos können sich in Beziehungsfragen nicht einigen. Und offenbar auch nicht, was für ein Programm sie spielen. Beide sind begnadete Tänzer. Ihre Tanzeinlagen sind faszinierende Vorschläge für ein harmonisches Miteinander. Aber der Wortanteil ist auf der Bühne zu hoch, um die Show als Tanzprogramm zu sehen. Und manchmal ist dieser Wortanteil noch sehr statisch inszeniert: Beide sitzen dann nur steif auf zwei Stühlen und erzählen. Diese nebulöse Unklarheit mindert den Spaß am Zuschauen aber nur ein kleines bisschen.

„Humor ist, wenn man trotzdem wählt“ heißt Anny Hartmanns Programm. Erstmals kommt damit in diesem Jahr politisches Kabarett auf die Bühne der Stadthalle in St. Ingbert. Ungestüm und mit großer Wut im Bauch zieht Hartmann über die BILD-Schlagzeilen des Tages her und ärgert sich über die falsche Themensetzung des Blattes: Eine Prominentengeschichte ist da viel wichtiger, als die Wirtschaftskrise. So etwas kann die Volkswirtschaftlerin Anny Hartmann natürlich nicht durchgehen lassen. Sie berichtet anregend über Staatsverschuldung, Griechenland-Rettung, Lohnbildung und Sozialtransfers. Dabei ist sie tagesaktuell und ausgesprochen scharf in ihren Äußerungen. Das Publikum scheint sich nach einem politischen Beitrag geradezu gesehnt zu haben, so sehr liegt es der Künstlerin zu Füßen. Oder lag es an den Schokoladestückchen, die Hartmann bei einer richtigen Antwort in den Zuschauerraum geworfen hat?

Anny Hartmann (Foto PR St. Ingbert)Auch Frauenfragen liegen Hartmann am Herzen. Sie regt sich auf über die den Umgang der Öffentlichkeit mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegenüber Prominenten. Sie entrüstet sich, an einem Abfertigungsschalter im Flughafen nicht bedient worden zu sein, weil sie eine Frau ist: „Das ist hier nur für Männer. Die haben es eilig, es sind schließlich Geschäftsleute!“ Sie zieht gegen die Schönheitsindustrie und ihre Vorschläge zur Vaginalkanal-Straffung ins Feld und fragt ironisch ins Publikum: „Fühlen Sie sich auch so schlaff, da unten rum?“

Sie kokettiert, auch mit der Kamera, die ihr plötzlich über die Schulter blickt. Manchmal wird sie derb, mit einem Hang ins Ordinäre. Sie zeigt Haltung, spricht geradeheraus über Dinge, die anders sein sollten. Dabei ist sie nicht abwägend, sondern überzeugt. Ein Glück, dass Anny Hartmann den Schritt von der Comedy zum politischen Kabarett gegangen ist.

High Five - Foto ©  www.ursart.deIm Jahr 2006 gründeten Hannes Herrmann, Sebastian Hug, Jannis Kirchner, Lukas Luem und Ulrich Stoll die A-Capella-Gruppe High Five. Mit dem Programm „Mundesjugendspiele“ tritt sie beim Wettbewerb an. Die fünf singen über merkwürdige Kosenamen und das Recht  des Mannes auf eine Ganzkörperepilation, „Weil wir es uns wert sind!“ Sie werden hübsch sentimental, wenn sie „Schlußendlich und dann“ feststellen, dass alle stets nur auf etwas warten. Einer, Seppi, bekennt „Ich kann nicht tanzen“ – und ist damit eine Ausnahme. Denn neben den angenehmen Stimmen der fünf Solisten fällt die elegante Choreographie auf. Stimmen und Körper sind bühnenfüllend.

Musikalisch kann High Five auch anstrengend werden, etwa wenn harte Rhythmen die Dringlichkeit und die Endzeitstimmung im Song über den Kohlendioxidausstoß hervorheben. Auch „Gisela“, im House-Stil vorgetragen, klingt ein wenig nach Roboter, dem von regenerativ erzeugtem Strom gerade die Schaltkreise wegschmoren. Doch schließlich versöhnen sie musikalisch eingängig und gehen „Shoppen“, bevor sie im Rammstein-Stil die „Acapellypse“ beschwören, in der alle Musikinstrumente ihre Dienste versagen … High Five spiegelt den Musikgeschmack junger Menschen im A-Capella-Stil. Dafür müssen sie sich nicht verstellen, liegt doch ihr Durchschnittsalter unter 22 Jahren. Das Publikum ist hingerissen.

Gilles Chevalier © 2011 BonMoT-Berlin Ltd.

nächste Termine bei der 27. Woche der Kleinkunst in Sankt Ingbert:

Mittwoch, 7.9.2011: Vierter Wettbewerbstag
Freitag, 9.9.2011: Preisverleihung der Sankt Ingberter Pfannen und Abschlussparty

www.sanktingbert.de

verwandte Beiträge auf www.liveundlustig.de :
Zweiter Wettbewerbstag in Sankt Ingbert 2011 – Kritik
Erster Wettbewerbstag in Sankt Ingbert 2011 – Kritik
Sankt Ingbert: Vorverkauf beginnt heute – das Programm

Liveundlustig-Berichte über die Sankt Ingberter Pfanne 2013 / 2012 / 2010

4 Gedanken zu “Dritter Wettbewerbstag in Sankt Ingbert 2011 – Kritik

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..