Aufschieben …
BERLIN (gc) – Florian Schroeder bekennt, ein Aufschieber zu sein. Um 11 Uhr will er mit dem Arbeiten beginnen, aber er wird dauernd abgelenkt – oder lässt sich ablenken. Anders gesagt: Er nimmt sich fest vor, das Publikum gut zu unterhalten und dann kommt ihm ständig etwas dazwischen. Die Folge: Der angenehme Abend muss auf das nächste Mal verschoben werden. Denn das neue Stück von Florian Schroeder „Offen für alles und nicht ganz dicht“ ist so tiefgreifend anders als frühere, dass man den neuen Florian Schroeder erst mal sacken lassen muss. Wo früher ein hintergründiger, frecher und unkorrekter politischer Kabarettist und Parodist war, ist heute ein mitleidheischender und an der Seele verletzter Vertreter der so furchtbar gebeutelten Generation um die 30! Autobiographische Selbstbespiegelungen mit einigen wenigen politischen Einsprengseln prägen das Programm.
Schroeder erzählt von seinen Erinnerungen an die Schulzeit. Als seine Klasse im Wirtschaftsgymnasium die einzige war, die bei der Abschlussparty rote Zahlen geschrieben hat. Die meisten seiner Klassenkameraden hätten sich dann nicht entscheiden können und studierten deshalb BWL. Ein prima Ansatz, um die Wirtschaftskrise zu erklären! Auf das Problem, sich nicht entscheiden zu können, kommt er immer wieder zurück: Ob beim Bestellen eines Kaffees bei Starbucks oder bei den Entscheidungen für die weitere Lebensplanung. Immer ist da diese Angst, sich festzulegen. Schließlich kehrt er zu Starbucks zurück und führt mit der Verkäuferin einen philosophischen Diskurs. Dann legt er „die Karnevalsmaske der Toleranz ab“ und will ganz entschieden NICHTS bestellen. Hier wird es sehr dicht und angenehm anspruchsvoll.
Die Lebenssituation der Generation um die 30 ist ein weiterer Schwerpunkt: iPhone, iPod, Eierkopp – also das digitale Leben, der Umgang mit elektronischen Geräten und sozialen Netzwerken. Weil es Mode ist, hat sich Schroeder eine Personal Trainerin engagiert, die ihm einen individuellen Sportplan zusammengestellt hat. Zusammen mit dem Publikum führt er diese Übungen durch. So kommt dann ein wenig Bewegung in den Abend…
Unklar bleibt, warum Schroeder nicht stärker auf das Bewährte setzt. Wenn er parodiert, ist er kaum zu schlagen. Wie er die Künast ohne Worte, den Kretschmann gepresst und den Westerwelle gequakt karikiert, hat Klasse. Wenn er gallig wird und sich die Fähigkeiten und Erfahrungen solcher Politiker wie Bahr, Rösler und Lindner anschaut und resümiert: „Parteien sind die Kleingartenvereine des 21. Jahrhunderts“, ist die Publikumsresonanz am größten. Wenn er sagt: „Neben einer Auto fahrenden Frau zu sitzen und nichts besser zu wissen, ist gelebte Emanzipation“, hat er das Zelt auf seiner Seite. Er zitiert aus Popsongs, um die Zuschauer raten zu lassen, ob es sich um den Auszug eines „Silbermond“-Titels handelt. Am Ende gebremster Applaus im Tipi am Kanzleramt. Schroeders Top-Thema, die Unentschlossenheit, hatte sich wohl bereits auf das Publikum übertragen.
Gilles Chevalier © 2011 BonMot-Berlin Ltd.
weitere Vorstellungen:
27.9.2011: Berlin, Tipi am Kanzleramt
29.9.2011: Münster, Stadthalle Hiltrup
30.9.2011: Korschenbroich, Gymnasium Korschenbroich
1.10.2011: Neukirchen-Vluyn, Kulturhalle