„Ladies Night“ – Gerburg Jahnke und Gäste –
Aufzeichnung im Kölner Gloria Theater und Ausstrahlung im WDR
KÖLN (rh) – Sechsmal im Jahr verwandelt sich das ehemalige Kölner Porno-Kino „Gloria“ in eine Herberge für Gerburg Jahnkes Frauen-Fernsehbespaßung „Ladies Night“ im WDR. Es ließe sich ja noch streiten, ob ein Porno-Kino dem Rotlichtmilieu zuzurechnen wäre, spätestens aber, wenn das Fernsehen im ganzen Theater seine Kameras, nebst vieler roter Lämpchen aufbaut, dürfte sich diese Frage erledigt haben.
Als sei das „Gloria“ nicht sowieso schon verplüscht und angepufft genug, hilft die Ausstattung des WDR-Fernsehens hier nun schon seit 6 Jahren noch einmal gründlich nach. Dicke, rotweinfarbene Vorhänge aus Pannesamt wohin man schaut (mindestens 120g/qm), goldige Bilderrahmen für die ultramodernen Flachbildmonitore, riesige Kronleuchter, an denen auch Bayernkönig Ludwig II. seine Freude gehabt hätte. Erstaunlich eigentlich, dass die vielen Fernseh-Kameras nicht ebenfalls mit Brokatdeckchen und spätminoischen Filigranarbeiten versehen wurden, aber Fernsehleute sind es ja gewohnt, an den Beweismitteln ihrer Anwesenheit vorbei zu filmen.
Gerburg Jahnke sprach im Gründungsjahr 2007 von „vielen bösen Tanten, ungezogenen Cousinen und aufsässigen Nichten“ im Publikum. Selbige waren alle auch bei der diesjährigen Altweibersommer-Ausgabe der „Ladies Night“ wieder anwesend, hatten aber auch ein paar männliche Zufallsbekanntschaften in die Veranstaltung geschleppt, vermutlich zur Dekoration.
Bei Frauenabenden stehen Männer ja am Schluss meist ohne Hose da. Bei der WDR-“Ladies Night“ ist dies zwar nicht anders, gottlob aber nur im übertragenen Sinne. „Eine Kabarett- und Comedy Show ausschließlich von und mit Frauen“ belehrt uns das WDR-Fernsehen. Mit den Jahren hat sich das Format zu einer Fundgrube für weibliche Kleinkunst entwickelt. Längst müssen Frauen nicht mehr beweisen, dass sie komisch sein können. Die WDR “Ladies Night“ hat hier über die Jahre echte Pionierarbeit geleistet. Von Beginn an treten hier sowohl Nachwuchstalente wie Carolin Kebekus (inzwischen längst kein Nachwuchs mehr) oder Mia Pittroff auf, neben bewährten Kräften wie Lioba Albus oder Nessi Tausendschön. Die September-Ausgabe bot ausnahmsweise mal keinen Nachwuchs, stattdessen bewährtes weibliches Spaßpersonal aus höchst unterschiedlichen Disziplinen:
Lizzy Aumeier, Oberpfälzer Männertraum und Kontrabassistin,
Annamateur & Außensaiter mit einem Ausschnitt aus ihrem aktuellen Bühnenprogramm „Screamshots“,
Käthe Lachmann mit Auszügen aus ihrem (noch) aktuellen Programm „Ich bin nur noch hier, weil du auf mir liegst“,
Simone Solga, die Quoten-Kabarettistin des Abends und ehemalige „Aktivistin der sozialistischen Arbeit“ und
zum krönenden Abschluss noch die Gessler-Zwillinge aus der Schweiz, die sich auch wegen der fantasievollen Gala-Kostüme in keine bekannte Schublade stecken lassen.
Wie komponiert man nun aus diesem opulenten Angebot weiblicher Comedy-Kompetenz eine Fernsehsendung von maximal 60 Minuten Dauer? Versetzen Sie Sich hierzu bitte mal für einen kurzen Augenblick in Regie und Redaktion des WDR-Fernsehens: Wenn Sie jedem Auftritt großzügige 10 Minuten einräumen möchten, bedeutet dies für die Moderationen von Gerburg Jahnke, dass diese jeweils nicht länger als 1 ¾ Minuten sein dürfen. Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst! So kann man doch nicht arbeiten! Welche Möglichkeiten also haben Sie? Genau: Sie kürzen die Auftritte auf 8 bis maximal 9 Minuten herunter und hoffen, dass das Zähneknirschen der Künstlerinnen von den empfindlichen Mikrofonen der Tonleute nicht übertragen wird.
Nicht jedes Programm eignet sich dafür, von ursprünglich 90 bis 120 Minuten auf 8 oder 9 Minuten zusammenstrichen zu werden. Der eine oder andere Vortrag verliert auf diese Weise schon mal ein wenig und nicht jede Künstlerin schafft es in der Kürze der Zeit, dem Publikum sämtliche Aspekte ihrer künstlerischen Arbeit darzulegen.
Muss aber auch nicht sein, Sinn und Zweck der Veranstaltung war es schließlich, das anwesende weibliche Publikum zum Juchzen zu bringen, den Fernsehzuschauer(innen) den Samstagabend ein wenig zu vergolden und den Künstlerinnen die Gelegenheit zu bieten, sich mal wieder ins Gespräch zu bringen.
Von Natur aus auch mit unübersehbaren körperlichen Vorzügen gesegnet, hatte es Lizzy Aumeier nicht schwer, die Bühne des Kölner Gloria-Theaters in Sekundenbruchteilen mit oberpfälzer Lebensfreude zu überschwemmen. Naturgewalten lassen sich eben auch durch Fernsehdrehbücher nicht zähmen. Lediglich der pantomimische Fauxpas-de-Deux mit ihrem Ehemann, im Stil der Augsburger Puppenkiste, musste herausgeschnitten werden. Ob nun wirklich aus zeitlichen Gründen, wie die Regisseurin behauptete, oder doch eher weil die Ausstrahlung der „Ladies Night“ für 21.40 Uhr geplant war und man um das Wohl der jugendlichen Rundfunkratsmitglieder fürchtete, lässt sich im Nachhinein schwer sagen.
Für Annamateur und ihre beiden Profimusiker musste die ganze Bühne umgebaut werden. Kein Wunder, ihr aktuelles Programm heißt ja auch „Screamshots – ein musikalisches Overhead-Projekt“. Falls es jemand nicht verstanden haben sollte: Ein Wortspiel aus Screenshot (neuenglisch für das Standbild des aktuellen Computerbildschirms), Scream (für Schrei) und Shot (für Schuss). Aus irgendeinem Museumskeller hatte man ein sogenanntes Polylux-Gerät beschafft, das Opfern der nichtsozialistischen Pädagogik besser als Tageslicht- oder eben Overhead-Projektor bekannt ist. Auf selbigem Gerät visualisierte Frau Mateur in Echtzeit diverse Albträume der modernen Schönheitschirurgie, nicht ohne Anklänge an Mary Shelley, aber dafür mit musikalischer Untermalung zweier sehr attraktiver Herren: Christoph Schenker am Cello und Samuel Halscheidt an der Gitarre. Frau lebt ja nicht vom Ohr allein.
Käthe Lachmann, eine alte Häsin der Comedy-Bühnen hatte es hingegen schon schwerer an diesem Abend. Legendär sind ja ihre Darbietungen auf der Nasengitarre oder ihre Figur der Synchronsprecherin Elke Schmidt, die geübte Fernseh- und Kinokonsumenten stark an Daniela Hoffmann erinnert, die deutsche Stimme von Julia Roberts. Nun erzeugen Legenden dieser Art beim Publikum eine gewisse Erwartungshaltung, die die Künstlerin aber vielleicht nicht unbegrenzt bedienen möchte. So hatte denn der Ausschnitt aus ihrem noch aktuellen Programm „Ich bin doch nur noch hier, weil du auf mir liegst“ so gar nichts von Elke Schmidt und auch die Nasengitarre spielte keine Rolle. Dafür spielte sich Frau Lachmann einmal quer durch ihr großes Repertoire lebensnaher Frauenfiguren, in denen sich das Publikum hörbar wiederfand. Spätestens an dieser Stelle rächte sich aber, dass der Alkoholausschank während der Aufzeichnung unterbunden wurde.
Simone Solga, aus Gera gebürtig, verfügt über eine stattliche Anzahl volkseigener Ehrentitel, wie etwa „Lehrling des Monats“ aus ihrer Lehrzeit zur Buchhändlerin, „Aktivistin der sozialistischen Arbeit“, zu der man sie während ihrer Arbeit beim Kombinat der Leipziger Bühnen ernannte, bereits frühzeitig wurde sie auch mit der Mitgliedschaft in der Pionierfreundschaft „Kim Ir Sen“ geehrt. Eine glänzende Karriere als politische Kabarettistin scheint da ja fast zwangsläufig. Nach einigen unbedeutenden Auftritten und Engagements bei der Leipziger Pfeffermühle, im ARD-Scheibenwischer bzw. Satire Gipfel und bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft war sie nun endlich in Gerburg Jahnkes „Ladies Night“ zu Gast.
Einer vergnügungssüchtigen Truppe von 800 bis 900 Altweibersommerfrischlerinnen mit politischem Kabarett zu kommen, hört sich zunächst etwas kühn an, zumal Frau Solga auf sexuelle Kraftausdrücke weitestgehend verzichtete. Dennoch konnten keinerlei Stimmungseinbrüche seitens der Frischlerinnen beobachtet werden.
Zum guten Schluss fanden noch die kandidelten Gessler-Zwillinge den Weg auf die prächtig geschmückte Bühne des Gloria. Keine sächsischen Adoptivkinder der Kessler-Zwillinge, vielmehr ein Exporterzeugnis eidgenössischer Produktion. Lange Zeit galten die Schweizer ja nicht unbedingt als Erfinder der satirischen Kleinkunst, Emil Steinberger mal nicht mitgerechnet. Hier geraten aber die Gletscher teutonischer Vorurteile gehörig ins Rutschen.
Schuld an diesem Umstand ist natürlich auch hier ein Klimawandel, allerdings nicht der meteorologische sondern eher ein meta-urologischer, der im Gefolge der steuerparadiesischen Zustände in der Schweiz evident wurde. Bislang in Deutschland völlig unbekannte schweizer Volkskomiker gelangten plötzlich zu großer Berühmtheit. Auch wenn die Gessler-Zwillinge nicht ganz den Unterhaltungswert einer Eveline Widmer-Schlumpf (im Nebenberuf Bundespräsidentin der Schweiz) erreichen, so verursachten sie auf der „Ladies Night“-Bühne doch erhebliche Farbflecken, die sich mit haushaltsüblichen Mitteln nur schwer entfernen lassen. Auf ihrer Homepage geben die Gessler-Zwillinge unumwunden zu, von einem weltweit tätigen Kopfhörer-Hersteller gesponsert zu werden. Dies erklärt wenigstens teilweise schon mal ihre Frisuren.
Zum großen Finale trafen sich alle Künstlerinnen wieder auf der geräumigen Bühne, auch wenn die eine oder andere dahinter noch mit ihrem Polylux beschäftig war, oder wahlweise mit den beiden netten Herren von vorhin. Wer weiß das schon so genau?
Nach überraschend kurzer Verwandlungspause und frei nach dem Motto: „Gegensätze ziehen sich an“, musste auch Frau Jahnke sich noch ein Charity-Kostüm im Gessler-Style anziehen lassen, inklusive Perücke und Brille. Ein großer Brüller bei den Damen im Publikum.
Rainer Hagedorn © 2012 BonMoT-Berlin
Weitere „Ladies Night“-Folgen in 2012:
Samstag, 20.10.2012: Ausstrahlung im WDR, Mittwoch, 17.10.2012: Aufzeichnung im Kölner Gloria Theater
Samstag, 24.11.2012: Ausstrahlung im WDR, Mittwoch, 21.11.2012: Aufzeichnung im Kölner Gloria Theater
Samstag, 22.12.2012: Ausstrahlung im WDR, Mittwoch, 12.12.2012: Aufzeichnung im Kölner Gloria Theater
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