Peinliche Damen und freche Frauen im Fernsehen – Kritik

Ladies Night_Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie Grande
„Ladies Night“ am Samstag im WDR

KÖLN (mk) – Die Kamera ist allgegenwärtig, wenn im Kölner Gloria Theater die „Ladies Night“ aufgezeichnet wird. Die Gastgeberin heißt Gerburg Jahnke, trägt diesmal einen Glockenrock inklusive passendem Oberteil mit Schößchen. Gerburg Jahnke Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie GrandeBei der Einführung in die kommenden eineinhalb Stunden – „wenn’s brennt: erst mal austrinken und dann gehen“ – von denen die Fernsehzuschauerin über die Hälfte zu sehen bekommen wird, wirkt die Gastgeberin leicht fahrig. Was sich im Anschluss an die Sendung erklärt: Sie hat sich gerade das Handgelenk verstaucht.

Einen Erklärungsnotstand gibt es allerdings im Hinblick auf die Auswahl der Künstlerinnen: Warum in aller Welt müssen sich Frauen schrille Klamotten anziehen, um komisch rüber zu kommen? Langt es nicht, wenn sie wie die meisten ihrer männlichen Kollegen, sie selbst bleiben? Die Antwort lautet: Es kommt ganz drauf an.

Biggi Wanninger & Anne Rixmann Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie GrandeSo verwandeln sich Anne Rixmann und Biggi Wanninger in zwei betuchte Russinnen – die eine in ein rotes Gewand, die andere in einen weißen Pelz gehüllt, die sich ihrer stinkreichen Männer rühmen. Die Verkleidung unterstreicht die Typenzeichnung – aufgebrezelte Hohlräume entfalten auf diese Weise erst ihre Wirkung.

Andrea Badey Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie GrandeBei Andrea Badey, die mit Ringelpulli und aufgetürmter Lockenpracht als Carola Ackermann die Bühne entert, beschleicht den Zuschauer ein diffuses Unwohlsein. Was soll die Parodie auf eine frustrierte Ex-Ehefrau, deren Sohn ihr nicht den notwendigen Respekt entgegenbringt? Sich über Unterschichten-Typen lustig zu machen, hat generell einen Hautgout: Da fragt man sich, ob die Fleisch gewordene Karikatur einer hirnlosen Frau im angereiften Alter nicht Selbstzweck ist – man kann so schön zeigen, wie wandlungsfähig frau ist. Oder um es mit Frau Ackermanns Oma zu formulieren: „Es gibt immer noch was Schlimmeres im Leben“.

Dat Rosi Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie GrandeVollends peinlich wird die weibliche Camouflage-Wut im Falle von „Dat Rosi“ alias Sabine Wiegand. Die kommt mit Hausfrauen-Perücke auf die Bühne und gibt als Westentaschen-Cindy (aus Marzahn) den prolligen Underdog – nur dass man hier eher an eine Nudelholz schwingende Gattin aus den 50ern des vergangenen Jahrhunderts denkt, denn an eine zeitgemäße Figur. Mag ja sein, dass man ihre derben Schimpf-Kanonaden bei ihr zu Hause im Ruhrgebiet lustig findet und es sogar im wirklichen Leben Vorlagen für so eine Type gibt – dennoch tut sie mit der Präsentation eines altbackenen Klischees ihren Landsleuten keinen Gefallen.

Ganz ohne drollige bis alberne Requisiten kommen dagegen die beiden Kabarettistinnen Anny Hartmann und Martina Schwarzmann aus. Erstere zählt zu den wenigen politischen Köpfen innerhalb der Branche, die Andere zu denen, die sowohl kluge Sätze sagen als auch schön böse bis absurde Lieder singen können.

Anny Hartmann Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie GrandeAnny Hartmann hatte der Redaktion zwar andere Texte aus ihrem Programm vorgeschlagen und war entsprechend angesäuert, weil diese abgelehnt worden waren, ließ sich das aber bei ihrem Auftritt nicht die Bohne anmerken. Da erzählt sie vom Einchecken auf dem Flughafen und dem ignoranten Bodenpersonal, das männliche Wichtigtuer bevorzugt abfertigt und macht sich so ihre Gedanken über die nächsten Gewinner des Integrationspreises.

Martina Schwarzmann Okt_2012 ©Foto WDR_Melanie GrandeMartina Schwarzmann wiederum bringt ihre Gitarre in Anschlag und singt: „Es muas oam a amoi wos wuascht sei kinna“, was übersetzt heißt: „Es muss einem auch mal was egal sein können“. Zum Beispiel die entsetzten Blicke, wenn man auf das Band an der Supermarktkasse neben Joghurt und Butter eine Packung Kondome legt und fragt, ob es die auch ohne Erdbeergeschmack gäbe, weil man sie zum Einfrieren von Zucchinis benötige – während die Gesichter der Leute in der Schlange und das der Kassiererin erstarren. Die Frau aus Überacker hat’s einfach drauf!

Marianne Kolarik © 2012 BonMoT-Berlin

Sendung „Ladies Night“:
Samstag, 20. Oktober 2012, WDR, 21.45 – 22.45 Uhr

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