Wilfried Schmickler:
„Ich weiß es doch auch nicht“
BERLIN (gc) – Böse und laut – das ist Wilfried Schmickler! Jedenfalls wenn man ihn nur nach den Nummern beurteilt, mit denen er traditionell die „Mitternachtsspitzen“ im WDR-Fernsehen beendet.
In Wirklichkeit ist er wesentlich vielseitiger. Das beweist er seit August 2012 mit seinem neuen Programm „Ich weiß es doch auch nicht“. Seine gefeierte Berlin-Premiere erlebte das Programm in den ausverkauften Berliner Wühlmäusen.
„Damit Sie ein für alle Mal Ihre Fotos machen können, erzähle ich Ihnen jetzt einen Witz. Einen Witz, der im Trend liegt: Mit Fußball für die Männer und Sadomaso für die Frauen“, beginnt Wilfried Schmickler den Abend. Der Witz ist harmlos, aber er lockert auf und macht offen für das Kommende: Für den atemlos-wütenden, den traurigen und den melancholischen Schmickler. Es ist eine ungewöhnlich große Bandbreite, die der Künstler zu bieten hat.
Da ist natürlich das bitterböse Aufregen und Anprangern, das Schmickler beherrscht. Bei der FDP und ihrem Führungspersonal kann er nicht an sich halten. Bei der SPD und ihren Beschlüssen zur Renten- und Sozialpolitik allerdings auch nicht… Er kritisiert, macht nieder und tritt in den Staub! „Es kann doch nicht sein“ heißt das Gedicht, das den Höhepunkt des Abends bildet. Hier holt Schmickler zum Rundumschlag aus: falsche Steuer-, Wirtschafts- und Rentenpolitik und egal ob Wowereit, Döring oder Lafontaine – alle kriegen ihr Fett ab. Kein Zweifel – Schmicklers Herz schlägt links.
Doch für seine mitreißenden, atemlosen Vorträge verwendet er kein lautes Geschrei, vielmehr stößt er die geschliffenen Worte ungestüm heraus. Fast glaubt man, in der nächsten Minute würde ihm der Mund verboten. Deshalb kann er jetzt nicht anders und will – die letzte Gelegenheit nutzend – sich mit aller verbleibenden Kraft der Wörter entledigen, die in ihm gären und nach außen streben!
Farbenfrohe und plastische Bilder versteht Schmickler zu gestalten, wenn er den Streit zwischen zwei wirtschaftspolitischen Richtungen als eine mittelalterliche Schlacht beschreibt: Damals konnte es zwischen den Prognostikern und den Agnostikern nur einen Sieger geben.
Melancholisch und bewegend dagegen das „Lied für Klaus Huber, Heinrich Pachl und all die anderen“. Allein will er hier sein, um das Fehlen seiner verstorbenen Weggefährten spüren zu können und der gemeinsamen guten Zeiten zu gedenken. Damit möchte Schmickler entspannt umgehen, doch irgendein gemeiner Handy-Klingelton reißt ihn immer wieder aus seinen Gedanken und verhindert die innere Auseinandersetzung. Sein Sprechgesang passt wunderbar zu diesem und den anderen Liedern, die sich alle zwischen Resignation, Wut und Ratlosigkeit bewegen.
Schmickler geißelt in seinen Wortbeiträgen auch die üblichen Themen: Die Auswüchse der digitalen Welt, die Dauerbeschallung im öffentlichen Raum und das schlechte Fernsehprogramm. Das trübt aber den Abend in keiner Weise. Es führt nur dazu, dass sich der Zuschauer mit seinem ganz persönlichen Aufreger-Thema nicht so allein fühlt. Denn – aufregen kann man sich schließlich über alles Mögliche …
Gilles Chevalier © 2012 BonMot-Berlin
die nächsten Termine:
Mi, 24.Oktober 2012: Brühl, Tanning Saal
Do, 25. Oktober 2012: Mönchengladbach, Rotes Krokodil
Fr, 26. Oktober 2012: Mönchengladbach, Rotes Krokodil
Sa, 27. Oktober 2012: Leverkusen, Ausbesserungswerk
So, 28. Oktober 2012: Kaarst, Albert Einstein Forum
alle weiteren Infos: http://www.wilfriedschmickler.de
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Lied für Klaus Huber, Heinrich Pachl und all die anderen geht unter die Haut. Gerne hätte ich eine CD oder wenigstens den Text.
Die CD zum Programm „Ich weiß es doch auch nicht“ (Track 9: Huber) ist bei WortArt erschienen und kann im Shop von einLächeln direkt bestellt werden. Hier klicken