Rattenscharf, dieses schamlose Entertainment – Kritik

Kay Ray 01 – Foto © HP kayray.deKay Ray: „Haarscharf“

BERLIN (gc) – „Ich kenn‘ die Grenzen nicht, ich will nicht ins Fernsehen!“, sagt Kay Ray und genießt die Theateratmosphäre in den ausverkauften Berliner Wühlmäusen.
Hier kann er ungeniert aussprechen, was sich viele im Saal nicht einmal zu denken wagen. Hier kann er lang und breit erklären, was es mit dem Ausspruch „Ich bin gefickt“ auf sich hat. Und er erklärt auch, wie man das als Mann umsetzen kann…

Kay Ray gibt den schamlosen Entertainer: Behinderte, stärker Pigmentierte oder sexuelle Minderheiten – alle kriegen ihr Fett weg. Kay Ray würde sagen: „Blinde, Neger und Schwule“. Das ist deutlicher, aber nicht politisch korrekt. Doch gerade das politisch Korrekte ist ihm völlig egal. Darüber setzt er sich im Namen der Unterhaltung hinweg: „Ich habe noch nie verstanden, was ein Rollstuhlfahrer mit einem Coffee-to-go anfangen will…“ Immer wieder erzählt er in seinem Programm solche Oneliner und ganz kurze Witze. Das macht die Show schnell und steigert die Pointendichte: „Steve Jobs war irgendwann schlanker als seine Geräte“, erzählt er, stolz über sein ipad 3 streichelnd, „und jetzt ist er tot!“

Als Kontrast singt er. Zusammen mit seinem Pianisten Falk Effenberger interpretiert er Lieder des Niederländers Robert Long und von Udo Lindenberg, parodiert Louis Armstrong und Milva. Das sind die angenehmen Gegengewichte, die Zeit zum Luftholen geben. Träumerisch am Ende des langen Abends das Stück „Kleiner Bösewicht, schlaf ein“, das Kay Ray hilft, herunterzukommen und das aus dem hyperaktiven Bühnentier einen entspannten Menschen macht.

Denn zuvor hat er kräftig auf die Kacke gehauen. In der ersten Reihe macht er zwei Frauen aus und fragt sie unumwunden: „Sagt mal, seid ihr lesbisch?“ Die beiden bejahen. Herr Ray freut sich diebisch und wendet sich seinem Pianisten zu: „Wir haben heute zwei schöne Lesben hier. Das ist aber auch selten!“ Der Saal tobt und gleichzeitig denkt sich jeder: Jetzt bloß nicht auffallen. Denn jede Außergewöhnlichkeit wird von der Bühne direkt kommentiert: Egal, ob jemand zu spät aus der Pause zurückkehrt oder heimlich ein Video dreht. Des einen Frevel wird direkt in den Chansontext eingebaut, des anderen Handlung mit ganz besonderen Einblicken in die Unterhose des Künstlers bestraft…

Kay Ray 02 – Foto © HP kayray.deRespektlosigkeit und Rücksichtslosigkeit zeichnen Kay Ray aus. Auch sich selbst gegenüber. Im ersten Teil des Abends legt er immer mal wieder ein Kleidungsstück ab. Das macht er so lange, bis er auf der Bühne nur noch Retroshorts und Socken trägt. Und glücklicherweise behält er die Socken (!!!) an – wer will schon nackte Füße sehen?

Mit dem, was er jetzt noch zur Hand hat, stellt er lustige Tiere nach. Den Vogel im Nest oder die Schildkröte zum Beispiel. Mit seinen Geschlechtsteilen spielt selten ein Künstler auf der Bühne, und plötzlich merkt man, wie gut man auch noch von der 15. Reihe das Geschehen beobachten kann.

„Heut sagen wir zum Anstand NEIN // Und schauen bei Kay Ray hinein“, könnte als Untertitel auf seinen Plakaten stehen. Er will nichts Verkopftes oder Kompliziertes präsentieren, sondern unterhalten. Das gelingt ihm großartig. Er überwindet die Grenzen des politisch Korrekten und auch des guten Geschmacks. „Die Leute sagen immer, Mario Barth ist platt. Ich bin Super-Mario!“, beschreibt er sich selbst. Trotz der vielen Ausflüge unter die Gürtellinie ist er nie peinlich. Im Gegenteil. So hab ich das noch nie gesehen, sagt sich mancher Zuschauer schmunzelnd auf dem Weg nach Hause. Denn auf dem schmalen Grat zwischen Geschmacklosigkeit und derbem Humor bewegt sich Kay Ray virtuos.

Gilles Chevalier © 2012 BonMot-Berlin Ltd.

die nächsten Termine:
Mi, 14. November 2012: München, Schlachthof
Fr, 16. November 2012: Eschwege, Altes E-Werk
Sa, 17. November 2012: Cottbus, Alte Chemiefabrik

http://www.kayray.de

6 Gedanken zu “Rattenscharf, dieses schamlose Entertainment – Kritik

  1. Friedrich 18. November 2012 / 11:44

    Können uns dem nur anschließen – besser kann man ihn nicht beschreiben. Es war ein grandioser Abend in Düsseldorf am 08.November 2012 wir saßen in der 7.Reihe, und am Ende saß er vor uns auf der Querstange der Balustrade des Ranges „um runterzukommen“ 🙂 sang „Kleiner Bösewicht, schlaf ein“, und legte sich auf dieselbe.

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