Tour de Force durch die Getränkekarte – Kritik Martina Brandl
Vor ein paar Jahren hat Martina Brandl der Hauptstadt den Rücken gekehrt, um sich wieder in ihrer süddeutschen Heimat niederzulassen. Dennoch kommt sie regelmäßig zurück – wie zum Beispiel dieser Tage auf die Bühne des Comedyclubs Kookaburra.
Martina Brandl: Jedes zehnte Getränk gratis! – Ein SelbstversuchBERLIN (bm) – Im Gepäck gut gekühlt, frisch gehalten und lange vor Ablauf eines etwaigen Verfallsdatums ihr Programm „Jedes zehnte Getränk gratis! – Ein Selbstversuch“, mit dem sie dort vor ziemlich genau einem Jahr Premiere gefeiert hat.
Die Inspiration zu diesem waghalsigen Experiment hat sie einer handschriftlichen Notiz an der Kneipentür eines Provinzbahnhofs zu verdanken – eine sportliche Herausforderung, die sie sofort angenommen hat.
Eine geradezu unverschämte Provokation von einem Sonderangebot, der wohl kaum ein Schwabe widerstehen könnte – weshalb also die „Göttin aus Geislingen“, wie Thomas Hermanns sie einmal betitelt hat?
Mutig stürzt sich Martina Brandl in das Abenteuer Getränkekarte, das Ziel klar anvisiert: der zehnte Drink, den es in dieser Spelunke umsonst gibt. Selbstverständlich muss die Heldin bis
dahin einige Verbalattacken abwehren, was ihr zum Beispiel mit „Beim Trinken geht es nicht darum, sich von Adolf Hitler abzugrenzen sondern um Alkohol“ gegen einen mündlichen Vorwurf gelingt. Der schriftliche Angriff in Form der Hausordnung der Deutschen Bahn erscheint ihr rätselhaft. Übermäßiger Alkoholgenuss sei verboten, heißt es da. Aha, wir dürfen ihn nicht genießen. Solange es nicht schmeckt, dürfen wir also trinken so viel wir wollen. Häh?„Jedes zehnte Getränk gratis“ ist alles andere als eine als Kunst kaschierte Säuferlegitimation, schließlich sind etliche der neun Getränke alkoholfrei. Vielmehr dient die Reihenfolge dieses flüssigen Menus dazu, Assoziationen auszulösen und Erinnerungen wachzurufen, Lieder losgehen zu lassen. Noch nie war Martina Brandl, Chansonsängerin und Comedienne in Personalunion so gelöst und unangestrengt auf der Bühne zu erleben. Und das wirkt – nun einfach mal auf Deutsch gesagt – enorm sexy.
Ganz nebenbei reflektiert sie ihr Bühnenich. Oft sei sie gefragt worden „Martina, warum gehst du als Frau eigentlich auf die Bühne?“ Antwort: „Weil ich als Mann einfach scheiße aussehe!“ Frisch und fröhlich perlen die Scherze von den Lippen einer selbstbewussten Künstlerin, die sich nicht mehr hinter dem einst selbst geschaffenen Image der bösen Disöse aufpumpen muss.In „Jedes zehnte Getränk gratis! – Ein Selbstversuch“ kommt Martina Brandl ohne Requisitentinnef aus und verzichtet auf jeden überflüssigen Firlefanz.
Herzerfrischend kackfrech überzeugt sie lässig mit ihrer Erscheinung – „Hauptsache, man sagt es weich“. Und wenn sie als Zugabe einen ihrer alten Hits singt, „Moabit“, die satirische Hymne an ihren Berliner Lieblingsbezirk, hat sie die Herzen des Publikums längst erobert. Ein Programm so pur wie das deutsche Reinheitsgebot und so lecker wie ein kühles Blondes.
Beate Moeller © 2012 BonMoT-Berlin
Termine:
Do, 29. November bis Sa, 1. Dezember 2012: Berlin, Comedy Club Kookaburra
Beginn: 20.30 Uhr, Ticket-Telefon: 030.48 62 31 86, Karten: 11 bis 14 Euro
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