KÖLN (mk) – Roland Mustermann heißt sein Sampler, der ihm hin und wieder beim Einspielen von Musik und Übersetzungen hilft. Letztere sind notwendig, weil Severin Groebner aus Österreich, genauer: aus Wien, kommt.
Mit seiner schwarz umrandeten Brille, dem adretten Anzug und dem weißen Hemd kommt er eher unspektakulär daher. Aber der Augenschein trügt. Der Mann hat es nämlich in sich. Und wie: In seinem Programm „Servus Piefke!“ geht es ans Eingemachte, an das, was Deutsche und Österreicher eint und trennt, um Vorurteile, Tatsachen und Täuschungen.
Auf Deutsch übersetzt heißt sein Programm einfach „Hallo, Deutsche!“. Wobei Groebner – das muss man sich vor Augen halten – seit 1999 in Deutschland lebt – und wie sich herausstellt – perfekt integriert ist. Den Blick von außen hat er sich dennoch bewahrt – und zwar in zwei Richtungen.
Es geht nämlich keineswegs darum, die eine oder andere Nation vorzuführen, ihre Eigenheiten der Lächerlichkeit preiszugeben. Dafür ist Groebner viel zu klug. Und viel zu gewitzt. Er weiß um die wechselseitigen Animositäten und nennt sie beim Namen. Und er kennt den kleinen gemeinsamen Teil der Geschichte, auch Vergangenheit genannt. Niemand in seiner Heimat wollte ein tausendjähriges Reich errichten. Vielmehr glaubte man – oder tat wenigstens so – dass die Nazis verrückt gewordene Pfadfinder waren.
Groebner, nach eigenen Angaben 1969 im Wiener „Helmut Qualtinger Hof“ geboren, verbrachte schließlich die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens in einem Land, dessen Einwohner ein Wort für hässlich, abgründig, grauenhaft und gemein erfunden haben: „schiach“, die Rückseite des Schmäh, wie der Kabarettist erläutert. Der Wiener sitze Jahrzehnte lang in schlecht beleuchteten Caféhäusern und ernähre sich ausschließlich von Sachertorte. Wenn er dann eines Tages ins Freie hinaus krieche, sei er „schiach“. Ganz im Gegensatz zu den Deutschen, deren Hässlichkeit an der Oberfläche bleibe und sich selbstbewusst zeige – man denke nur an die Träger von Freizeitkleidung.
Die in Grinzing einfallenden Touristen hatte er als saufende und grölende Herdentiere kennen gelernt – „sogar die Türken sind leiser“. Und seine Landsleute als geleeartige Masse, die ignoriert, dass Triest seit 1918 nicht mehr zu Österreich gehört.
Der leichte Wiener Akzent, mit dem Groebner seine Ausführungen würzt, verleiht selbst den hinterhältigsten Gedankengängen einen gewissen Charme, ohne sie zu entschärfen. Nur die Frage, was eigentlich deutsch ist, kann er nicht zufriedenstellend beantworten. Das Gespräch unter Männern in seiner Stammkneipe führt auch nicht allzu weit. Wiener Schnitzel, meint der eine, Schrebergärten, ein anderer. Wir schlagen mal auf Groebners Anregung hin die perfekt durchorganisierte Anarchie vor. Zu begutachten im Karneval oder auf dem Oktoberfest. Nur zum Beispiel.
Marianne Kolarik © 2012 BonMoT-Berlin
Foto © Derek Henthorn
Auswahl Termine:
Mi, 2. bis Sa, 5. Januar; So, 3. und Mo, 4. März 2013: München, Lach- und Schießgesellschaft, Kartentelefon: 089.39 19 97
Di, 22. Januar 2013: Düsseldorf, Kom(m)ödchen, Kartentelefon: 0211.32 94 43
Mi, 27. und Do, 28. März 2013: Mainz, unterhaus, Kartentelefon: 06131.23 21 21
Alle weiteren Tourdaten auf der Homepage von Severin Groebner
Das Buch zum Programm:
Severin Groebner: Servus Piefke, Südwest Verlag, € 12,99 (D), € 13,40 (A)
Weiterlesen:
Severin Groebner: Eine Reise zum Mittelpunkt der EU 50º10’21“N 9º9’0“O (FAZ)
Severin Groebner: Apokalypse, bitte kommen! (Wiener Zeitung)