Entertainment ist Teamwork – Kritik Stage Diven
Bartuschka hat diesmal eingeladen: Acey Jee, Christine, Pippa The Ripper und Schwester Cordula – und alle sind gekommen!
Dass Frauen keinen Humor haben, ist hinlänglich bekannt. Für den Künstler taugen sie bestenfalls als Muse und eignen sich im schlechteren Fall als Objekt der Betrachtung, also Bespöttelung. – So viel zu den Vorurteilen. Das Gegenteil beweist Bartuschka – seit Jahren.
BERLIN (bm) – Alle müssen beitragen zur Produktion der Heiterkeit, egal ob sie sich auf oder vor der Bühne befinden. Das macht Bartuschka gleich zu Beginn mit dominanter Freundlichkeit klar. Den Zuschauern bleibt nur wenig Zeit, in starrer Konsumhaltung freudig zu erwarten.
Ruckzuck hat die kulleräugige Komikerin im gelb-schwarzen Biene-Maja-Outfit mit dem gelben Gummibob alle engagiert – schließlich möchte sie am Ende der Show auf Händen getragen werden, ihrem Lieblingssport frönen: dem Stagediven und nach vier Wochen mal wieder ein wohltuendes Bad in der bis dahin hoffentlich – wehe, wenn nicht! – euphorisierten Menge nehmen.
Zuerst wird der frenetische Schlussapplaus fürs finale Foto geübt, dann werden die Aufgaben – Protokoll und Bühnenumbau – verteilt sowie Plüschtiere zum späteren Vor-Begeisterung-auf-die-Bühne-Werfen. „Rock’n’Roll!“ gibt sie die Stimmungslage forsch vor und verspricht damit keinesfalls zu viel.
Es ist die 241. (zweihunderteinundvierzigste!) Folge der Stage Diven, einer Mixed Show, in der generell nur Frauen auftreten, ausnahmsweise sind Begleitmusiker gestattet. Im Publikum allerdings sind Männer durchaus erwünscht – schon wegen der geplanten Kraftsportübung am Ende, siehe oben. Vermutungen, es könne sich hier um eine feministische oder lesbische Veranstaltung handeln, werden im Keim erstickt, wenn sie im Gespräch danach lapidar mit der Entdeckung einer „Marktlücke“ argumentiert.
Vier Künstlerinnen aus ganz unterschiedlichen Sparten hat sie dieses Mal in den Comedy Club Kookaburra an der Schönhauser Allee eingeladen: Acey Jee, in Berlin lebende SingerSongwriterin, ist alles andere als komisch. Bei ihren eigenen Songs – emo-emo-Gänsehaut – begleitet sie sich selbst auf der Gitarre, pur und ohne jede Attitüde – „Decision for Love“ oder „Secretly“ die Titel. Zum Dahinschmelzen, das Timbre dieser mal zart gehauchten, mal kräftigen, aber jedenfalls ausgesprochen umfangreichen Blues-Stimme mit Hit-Potential. Warum hat noch niemand das auf Flaschen gezogen? Puh: Im Februar wird Acey Jee sich ins Studio begeben, um ihre erste CD mit Band (!) zu produzieren – erleichternde Information aus Bartuschkas Abmoderation. Achtung Labels, nicht verpassen, bitte schnell melden! Das wollen wir im Radio hören. Ebenso atemberaubend – jedoch diesmal nicht nur im übertragenen Sinne: Christine. Im roten Kleid mit weißen Punkten wirbelt sie eine ebenso fröhliche wie konventionelle Rock’n’Roll-Tanznummer im Stil der fünfziger Jahre über die Bühne. Schon beim Zugucken bleibt einem die Puste weg, und im Turnen bekommt sie bestimmt eine Eins. Mit Sicherheit ein hübscher Baustein für so manch eine Varieté-Show. Extra aus London angereist ist Pippa The Ripper. Sogar mit farbig leuchtenden Hula-Hoop-Reifen kann frau ein paar Minuten Bühnenprogramm gestalten. Ganz bestimmt, wenn sie so provokant sexy und schrill verwegen daherkommt wie Pippa The Ripper im elfenbeinfarbenen Lack-Body zu derben schwarzen Schnallenstiefeln. Eigentlich war sie nach Berlin gefahren, um sich im Anschluss an ihren Auftritt bei den Stage Diven weitere in Deutschland zu organisieren. Doch schon auf dem Hinweg erreichte sie der Anruf mit der Zusage für ein lang ersehntes Engagement in Great Britain. Künstlerpech oder Künstlerglück? – das wird sich später erst herausstellen. Henriette aus dem Publikum, die sich unter sie legen durfte, im Rücken bloß die Bretter, die die Welt bedeuten, darf sich jedenfalls sicher sein: Sie war bis jetzt die einzige in Deutschland. Für Mut zur Hässlichkeit gibt es die ersten rosa Pluspunkte für Saskia Kästner, die als Schwester Cordula aus Arztromanen vorliest. Weiße Latschen, weiße Strümpfe, weißer Kittel und eine grüne OP-Haube auf dem Kopf. Es gibt Kostüme, die Frauen vorteilhafter erscheinen lassen – aber das wäre schon fast ein Kunstfehler! Durchaus beabsichtigt ist die ziemlich irritierende Wirkung, die sich einstellt, wenn sie, das abgeschmuddelte Groschenheft in der Hand, die banalen Gefühle von Krankenschwestern zu Oberärzten maßlos übertrieben interpretiert. Kitsch as Kitsch can – oder doch schon Kunst?Gastgeberin Bartuschka ist von der Ausbildung her Pantomimin. Aber auch im Quatschen ist sie Profi. Ebenso im Schnellzeichnen. Sebastian aus dem Publikum muss das Plakat halten, auf dem sie das Gesicht von Björn aus dem Publikum karikiert – nicht ohne den Namen seiner Freundin abgefragt zu haben, damit sie noch außenrum schreiben kann: „I would like to be your Juliane!“. Dann müssen vier starke Kerle antreten, denn es ist Zeit für – siehe oben: Stagediven! Der gemeinsame Abend hat jeden beglückt, und alle sind begeistert. Toll.
Beate Moeller © 2013 BonMoT-Berlin
Seit 2004 hält Bartuschka ihre „Marktlücke“ Stage Diven, „Berlin Style, son bisschen Trash eben“ am Leben. Aufgetreten sind sie im Berliner BKA, in der Berliner Scheinbar und ein Jahr lang parallel in London. Einige heute namhafte Künstlerinnen sind am Anfang ihrer Karriere in der Mixed Show Stage Diven aufgetreten. Bartuschka sagt im Interview, dass sie alle, ob sie nun Cindy aus Marzahn oder Annamateur aus Dresden heißen, es sicher auch ohne sie geschafft hätten. Zur Zeit ist sie mit ihrer immer wieder überraschenden Mixtur an weiblichen Gästen einmal im Monat im Berliner Comedy Club Kookaburra zu erleben. Die 242. Show dieser Art gibts dort am Mittwoch, 20. Februar 2013 um 20.30 Uhr. Bei der Internationalen Kulturbörse Freiburg 2013 moderiert Bartuschka am Dienstag, 5. Februar 2013 die Kurzauftritte im Theatersaal 2.
Hier geht es zu den Homepages der Künstlerinnen: Acey Jee, Christine Thevissen, Pippa the Ripper, Schwester Cordula und Gastgeberin Bartuschka
andere Fotos: Anja Pankotsch – rattenscharfe-photos, Nils Bornemann, Carlo Wanka
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