Gnadenlose Gegenwartsbetrachtung – Kritik Deutschmann
Matthias Deutschmann: „Eurocalypse Now – Solo 2013“
BERLIN (gc) – In seinem aktuellen Solo-Programm „Eurocalypse Now“ seziert Matthias Deutschmann zwei Stunden lang rücksichtslos das Zeitgeschehen. Geistreiche Betrachtungen werden von frechen Sprüchen abgelöst – die Zuschauer in den sehr gut besuchten Berliner Wühlmäusen waren begeistert.
Für einen Geistlichen werde er manchmal gehalten, erzählt Matthias Deutschmann. Das ist gar nicht so abwegig, wenn man sich diesen großen Mann mit seiner imposanten Statur einmal nicht im Scheinwerferlicht vorstellt. Und gütig wirkt er obendrein. Das ändert sich schlagartig, wenn Deutschmann vom Leder zieht. Aus der Rücktrittsankündigung des Papstes und dem Meteoriteneinschlag in Tscheljabinsk zieht er den Schluss: „Gott muss zielen lernen!“ Und im Film „Django Unchained“ hat er jedesmal, „wenn das Wort ‚Nigger‘ fiel, an Astrid Lindgren denken müssen.“
Deutschmann lädt zu tiefen Einblicken in seine weite Gedankenwelt: Von den alten und den neuen Griechen, dem Sarrazin und den Muslimen bis zu Alice Schwarzer, zu der er anmerkt: „Früher eine Feministin, heute ein Frauenleiden.“ Es sind diese bösen Spitzen, die das Programm sehenswert machen.
Ab und zu nimmt Deutschmann fast zärtlich sein Cello in den Arm und entlockt ihm diese vollen, dunklen Klänge. Aber nicht zu viele, denn „die GEMA hat mir schon Spitzel ins Programm geschickt.“Klangvolle und weniger klangvolle Namen nimmt er in den Mund. Lautmalerisch geht er mit denen von Politikern um: Da klingt Wulff wie ein davonfliegender Luftballon, Schavan dagegen aufgeblasen und Brüderle einfach nur weinerlich.
„Kabarett muss provozieren“, lautet sein Wahlspruch. Deshalb lehnt Deutschmann aber noch lange keinen guten Kalauer ab: „Bei der Beschneidungsdebatte flogen die Fetzen“, sagt er, und philosophiert über diese „Schnittstelle zu Gott“. Seinen persönlichen Bankberater will er kennenlernen und bittet deshalb um einen Kredit von 50.000,- €, um „eine Solaranlage im Keller zu errichten.“ Herrlich, wie genau er den richtigen Abstand zur Wirklichkeit findet.
Als bekennender Melancholiker weiß Matthias Deutschmann: „Die Zeit läuft ab.“ Er wünscht sich einen Zentralfriedhof für Kabarettisten und die besten Pointen auf die Grabsteine, etwa: „German Comedy ist die Antwort auf englische Küche.“ Wunderbar auch der Einfall, für den Cellokasten auf der Bühne einen eigenen Scheinwerfer bereitzuhalten. Einen schönen Moment lang steht dieser knallrote Cellokasten nach dem Abgang des Künstlers im Mittelpunkt.
Gilles Chevalier © 2013 BonMot-Berlin Ltd.
(Fotos: Sabine Schnell, Albert Josef Schmidt)
Nächste Termine:
Sa, 2. März 2013: Mainz, unterhaus
Do, 14. März 2013: Münster, Kreativhaus
Fr, 15. März 2013: Oberelbert, Stelzenbachhalle
Sa, 16. März 2013: Langenfeld, Schauplatz
Alle weiteren Termine und Infos auf der Homepage von Matthias Deutschmann
Die CD zum Programm ist im Verlag con anima erschienen
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