WDR Rundfunkorchester Köln featuring
Pe Werner, Tim Fischer und Götz Alsmann
von Axel Schock
BERLIN – Sind es nicht Charisma, Stimme und Bühnenpräsenz, die den Ruhm und Nachruhm der großen Diseusen und Chansonniers erst ermöglicht und schließlich zementiert haben? Oder: Wie wichtig oder nebensächlich ist für die Ikonenbildung eigentlich das Gesangsrepertoire?
Bei einer wie Hildegard Knef bleibt fraglos jedes Lied mit der Sängerin verbunden, weil jede Verszeile auch von ihr selbst geschrieben wurde. Auch in 50 Jahren wird man bei den „Roten Rosen“ an die Knef denken. Wie aber sieht die Sache etwa bei Marlene Dietrich aus?
16 Lieder hat Hans Ek für das WDR Rundfunkorchester Köln zusammengestellt; Lieder, die offenkundig unverkennbar mit der Schauspiellegende verknüpft sind, dass sie sich zu einer musikalischen Hommage verbinden lassen. Aber würde man „La Vie en Rose“ nicht doch eher einer Piaf zuordnen und „Lili Marleen“ der ewigen Seemannsbraut Lale Andersen gönnen?
So drängt sich unweigerlich auch eine weitere Frage auf: Erwartet man bei einer Konzertgala wie dieser aus dem Kölner Funkhaus, dass sich die Mitwirkenden so nahe wie möglich an die Dietrichsche Interpretation herantasten?
Gleich beim ersten Song dieses Live-Mitschnitts, der nicht von ungefähr auch zu Dietrichs musikalischem Markenzeichen geriet, versucht Pe Werner sich dezidiert von deren Originalinterpretation abzusetzen. Wo Marlene einst die Selbstanpreisung als femme fatale in Ton und Gestus der Kaschemmenschlampe Lola mit geradezu konterkarierender Schnoddrigkeit präsentierte, gibt sich Pe Werner als kokette, tatsächlich fesche Lola, die nichts Schmutziges mehr in der Stimme hat, sondern allenfalls naiven Überschwang.
Cole Porters „I Get A Kick Out Of You“ hingegen gerät bei ihr zu einer lasziven Lounge-Nummer, bei der man unweigerlich die Eiswürfel im Whiskyglas klirren zu hören glaubt.
Wie viel näher an Marlene und doch auch ganz bei sich ist da doch Tim Fischer. Ihm gehören die schwermütigen Balladen aus der Feder Friedrich Hollaenders; sein Timbre und die darin mitschwingende Melancholie und Tiefgründigkeit treffen umso mehr Aura und Stimme der Dietrich in deren späten Diseusenjahren.
Und weil das WDR Rundfunkorchester dazu die Originalorchestrierung erklingen lässt – genauer gesagt: die restaurierten Tourneefassungen aus den 40er bis 60er Jahren – sind insbesondere Fischers Gesangsbeiträge tatsächlich gleichermaßen eine weitest mögliche Annäherung an das Original und Neuinterpretation zugleich.
Überraschend, für manche vielleicht auch verzichtbar, ist sicherlich die Beteiligung von Götz Alsmann an diesem Projekt, der die Sehnsuchtsnummer „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ mit Ukulele-Begleitung mit humoristischem Akzent interpretiert.
Axel Schock © 2013 BonMoT-Berlin
WDR Rundfunkorchester Köln mit Pe Werner, Tim Fischer, Götz Alsmann:
„Von Kopf bis Fuß – Eine Hommage an Marlene Dietrich“
erschienen bei: Edel Content, 2013, Artikel Nr. 50126743
Preis: € 17,95
auch zu bestellen im onlineshop des WDR