Einsichten, Ansichten, Absichten – Kritik Erwin Grosche

Warmduscherreport 2. Teil - Erwin Grosche 01 – Foto © Harald MorschErwin Grosche: „Warmduscherreport Vol 2“

von Gilles Chevalier

In diesem Jahr feiert Erwin Grosche sein 40-jähriges Bühnenjubiläum, und das Berliner BKA-Theater besteht seit 25 Jahren. Grund genug, Erwin Grosche mit seinem „Warmduscherreport Vol 2“ als einen der ersten Gäste beim Jubiläumsfestival „Hut ab!“ in Kreuzberg zu begrüßen.

BERLIN – „Ich war vor 25 Jahren auch schon hier“, sagt Grosche auf der Bühne. „Damals fand im Nebenraum ein Tantra-Sex-Seminar statt, und da habe ich mir gedacht, wenn ich Tantra-Sex machen würde, dann auch nur in Berlin und nicht zu Hause in Paderborn!“ Schließlich ist davon auszugehen, dass Erwin Grosche in seiner Heimatstadt bekannt ist, wie der sprichwörtliche bunte Hund – mit einem knallroten Knopf am Sakko.

Und die Heimat spielt für Grosche eine wichtige Rolle. „‘Das hört man gern‘ und ‚Da sag ich nicht nein‘ – damit kommen Sie in Paderborn ein ganzes Jahr durch!“, sagt er. Und mittwochnachmittags treffen sich die fünf Freunde aus der Siedlung, um eine Runde zu schlafen. Zur Entspannung, nicht zur Triebabfuhr! Entspannung und Entschleunigung sind nämlich zwei ganz zentrale Begriffe für Erwin Grosche.

Die Welt, so scheint es, dreht sich für den Mann mit den großen Augen manchmal einfach zu schnell. Dann bringt er sie zum Stehen, nimmt sich die Zeit nachzudenken und kommt zu ganz überraschenden Erkenntnissen: „Dass Kondome ein Haltbarkeitsdatum haben, empfinde ich als ungeheuren Leistungsdruck!“ Wenn er aber sauer ist, muss man aufpassen: Dann raucht er eine Schachtel Gauloises in einem Rutsch auf oder geht dreimal hintereinander in einen Til-Schweiger-Film, ohne ein einziges Mal zu lachen. So ein Typ ist Erwin Grosche!

Schenkelklopfer sind seine Sache nicht: Erwin Grosche – Foto © Harald Morsch
Schenkelklopfer sind seine Sache nicht: Erwin Grosche – Foto © Harald Morsch
Liebenswert ist er, weil er anders ist. Grosche traut sich, sein Publikum mit einem deprimierenden Gedicht in die Pause zu schicken. Und nach der Pause redet er sich als ein Mann, der gerade von seiner Frau verlassen worden ist, das Singledasein schön.

Grosche rührt das Publikum „wie ein Espresso mit drei Stückchen Zucker“ und bleibt dabei immer ernst. Schenkelklopfer sind seine Sache nicht, erhellende und geisterschütternde Einsichten schon eher. Wie beim Stück vom Spannbettbezug, den man bekanntlich nicht falten kann: „Deshalb liegt er wie ein Hippie neben der restlichen Wäsche.“

Oder bei den „Kurzszenen voller Anmut und Lebensfreude“, die er an diesem Abend als eine von drei Zugaben gibt. Zwölf dieser Szenen zeigt Grosche, mit dabei ist das “Aldi-Orakel“: Bei der Rückgabe der Plastikflaschen in den Automaten zählt er ab: „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht…“ Oder die „Reise nach Jerusalem in der Gewinnerfassung“, in der er mit umgeschnalltem Knopfakkordeon als einziger um einen Stuhl herumschleicht. Aber diese Gewinnerfassung ist reserviert „für die Tage, an denen sonst nichts klappt“.

Musikalisch ist Grosche noch an Kinderklavier, Mundharmonika und Klangschale aktiv. Seine Lieder sind genauso extraordinär wie seine Einsichten, denn es ist nur der Refrain, den er musikalisch begleitet. Der Rest der Lieder sind Anekdoten, Wortspiele und Betrachtungen.

So, wie die „NIVEA-Huldigungen“. Sie sind zweifellos Höhepunkte dieses, wie Grosche sagt, „kleinen Best-of-Programms mit wechselnden Stücken“. Er zieht eine große Büchse der Hautpflegecreme aus der Tasche, benutzt sie als Trommel und verfällt in Sprechgesang. Als wäre es ein Akronym, gibt er den fünf Buchstaben von NIVEA neue Bedeutungen: „Nur im Vergessen endet alles“ oder „Nur Indianer vermissen echte Anreize“. Stundenlang könnte man ihm jetzt zuhören. Entspannt, entschleunigt und am Ende ganz enthemmt, ob so viel neuer Erkenntnisse über ganz alltägliche Dinge.

Gilles Chevalier © 2013 BonMot-Berlin
Fotos © Harald Morsch

Erwin Grosche Homepage – Erwin Grosche TourplanProgramm BKA

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