Der zweite Wettbewerbsabend in Sankt Ingbert 2013 – Kritik

Scharri führt durchs Programm
Scharri führt durchs Programm
Martin Valenske, Abdelkarim und die Urstimmen

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Auch den zweiten Wettbewerbsabend hat ein Newcomer in St. Ingbert eröffnet: Martin Valenske spielt Auszüge aus seinem ersten Programm „Curriculum vitae minimalis“.

Der Student der Berliner Humboldt-Universität war nämlich bei der Arbeitsagentur, um sich nach Beschäftigungsmöglichkeiten zu erkundigen. Dort macht er einen psychologischen Test. Als Ergebnis wird ein „Curriculum vitae minimalis“, ein chronisch verkürzter Lebenslauf festgestellt. Jetzt ist er Ein-Euro-Komiker und misst den Erfolg seiner Show mit einem Lach-Sequenz-Diagramm, kurz LSD.

Generation Bachelor: Martin Valenske aus Berlin
Generation Bachelor: Martin Valenske aus Berlin
Sehr dicht ist die Geschichte, die Martin Valenske allein als Einleitung erzählt. Immer wieder flicht er ein oder zwei Sätze ein, die das Gesagte verstärken und den Witz deutlicher machen. Das wirkt so, als ob er in einem Bierkasten 25 Flaschen transportieren wollte, nur um ganz sicher einen entspannten Abend zu haben.

Dabei ist das gar nicht nötig, merkt man dem Text doch sofort die vielen Gedankengänge an, die bei seiner Entstehung durchwandert wurden.

„Deutschland ist ein Waffenexporteur mit Friedenssehnsucht. Das ist, als würde Jack the Ripper persönlich Hinterbliebenen-
Rente auszahlen“, sei nur als Beispiel genannt.

Martin Valenske zeigt sich als Mann des 21. Jahrhunderts und baut fleißig Power-Point-Präsentationen in seinen Auftritt ein. Das ist für sein Kernthema sehr hilfreich, hat er doch die Ratgeber-Literatur zum Selbstmarketing im Visier. Darin werden heute Logo, Slogan und Erkennungsmelodie empfohlen. Valenske, der schon seit mehr als 25 Semestern studiert, entscheidet sich für den Slogan: „Martin – besser zu spät als nie.“ Er wirft die wildesten Thesen der Ratgeber-Bücher auf die Leinwand und zerpflückt sie zur großen Freude des Publikums.

Martin Valenskes Programm ist glaubhaft, durchdacht und hintersinnig. Gerne lässt sich das Publikum auf seine Geschichten ein und bedenkt ihn mit sehr freundlichem Applaus. Valenskes weiterer künstlerischer Lebensweg sollte unbedingt beobachtet werden.

Abdelkarim hingegen wird schon beobachtet – nicht nur auf der Bühne. Auch im Supermarkt, als er freundlicherweise den Mann hinter ihm in der Kassenschlange den Vortritt lassen will. „Nein“, antwortet der, „vielen Dank. Ich habe dich lieber im Blick.“ Abdelkarim ist ein in Deutschland geborener Marokkaner. Er ist ein Typ wie ein Schrank, und es ist kein reiner Versprecher gewesen, als ihn Jugendliche einmal mit „Dickfisch“ angesprochen haben…

Senkrechtstarter aus der Bielefelder Bronx: Abdelkarim
Senkrechtstarter aus der Bielefelder Bronx: Abdelkarim
Routiniert spielt er die Auszüge aus seinem Programm „Zwischen Ghetto und Germanen“. Es macht Spaß zu sehen, wie sich Abdelkarim mit Vorurteilen gegenüber Marokkanern oder Hauptschülern auseinandersetzt. Ganz unauffällig hält er dem Publikum den Spiegel vor. Au weia, denkt mancher, welch böse Vorurteile.

Auf der anderen Seite verstärkt Abdelkarim bestehende Vorurteile, etwa in den Geschichten von seinem Freund Ali. Der ist eine gescheiterte Existenz, weil er es nicht schafft, Ärger mit der Polizei zu bekommen. Oder wenn Abdelkarim erzählt: „Mein Vater war Gastarbeiter, ich bin nur noch Gast. Und als Gast zu arbeiten, das ist einfach unhöflich.“ Schön von ihm gezeigt zu bekommen, dass die Welt nicht nur schwarz-weiß ist, also nicht nur aus Newcomern und routinierten Profis besteht. Natürlich ist das Leben kein Ponyhof und die Sankt Ingberter Pfanne kein Nachwuchswettbewerb. Umso schwerer fällt der Vergleich zwischen den Künstlern.

Das Publikum ist von Abdelkarims Auftritt begeistert und verfällt in rhythmisches Klatschen. Völlig zu recht, denn der Künstler hat ein prima Programm überzeugend dargeboten. Er könnte ein weiterer Pfannen-Favorit sein.

Den zweiten Wettbewerbsabend beschließen die Urstimmen aus der Schweiz mit einer überzeugenden Mischung aus A-cappella-Darbietung und stimmiger Chorographie. Das Ensemble besteht aus Rita Bänziger, Tiziana Sarro, Daniel Koller und Stephan Schaberl.

Retten die Welt mit Stimmbandkraft: die Urstimmen aus der Schweiz
Retten die Welt mit Stimmbandkraft: die Urstimmen aus der Schweiz
Die Urstimmen kennen sich von der Zürcher Hochschule der Künste, wo die Gruppe vor sieben Jahren gegründet wurde. Damals noch in anderer Besetzung, aber bereits mit dem Ziel, eine Abschlussarbeit vorzulegen. Heute zeigen sie Ausschnitte aus „the fantastic foUr stimmen“, einem Stück über Superhelden. Die setzen sich ein für den Frieden, die Umwelt und die Gerechtigkeit. Und kämpfen um den richtigen Pegel zwischen Backgroundchor und Solist – letzteres in Sankt Ingbert nicht immer erfolgreich.

Doch auch Superhelden haben Probleme: im Umgang mit dem anderen Geschlecht oder mit der ungeheuren Gemächtgröße des Nebenmanns am Urinal. Die Urstimmen erschienen eigentlich mehr als Problembären, denn als Superhelden. Eine der Großtaten ist ein Ausflug nach Indien, wo in bestem Bollywood-Stil getanzt und gesungen wird. Instrumente mussten übrigens nicht mitgenommen werden, denn deren Klänge werden von den Urstimmen mit dem eigenen Körper erzeugt.

Diese Nummer ist scharf wie Curry und begeistert das Publikum. Es dankt mit herzlichem Applaus und rhythmischem Klatschen. Auch die Urstimmen können als Pfannenfavoriten gelten. Sie überzeugen im stimmlichen und tänzerischen Detail, bleiben inhaltlich aber unverständlich. Die ungünstige Auswahl der Nummern lässt einen roten Faden leider völlig vermissen.

Gilles Chevalier © 2013 BonMot-Berlin
Fotos: Scharri: Rainer Hagedorn/BonMoT-Berlin, Valenske: HP Distel,
Abdelkarim: PR-Foto HP, Urstimmen: Daniel Koller/ HP Urstimmen

Zum Programmüberblick 29. Wettbewerb um die Sankt Ingberter Pfannen 2013 HIER
Homepage Abdelkarim – Homepage Urstimmen
Homepage Philipp Scharri – Homepage Sankt Ingbert

Liveundlustig-Berichte über die Sankt Ingberter Pfanne 2012 / 2011 / 2010

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