Rostow liegt am Don und ist trotz nicht unerheblicher Größe eine durchschnittliche Stadt. Es gibt ein geisteswissenschaftliches Institut und zwei Fußballvereine. Über eine Million Menschen leben dort.
Zwei von ihnen haben für Schlagzeilen gesorgt. Es geschah beim Einkaufen. Vielleicht ist den beiden Männern beim Warten an der Kasse langweilig geworden, möglich auch, dass es an der Käse-Theke etwas länger dauerte, jedenfalls gerieten sie ins Gespräch. So etwas entwickelt sich in deutschen Kaufhallen eher in der aggressiven Variante, und auch 1100 Kilometer südlich von Moskau kam rasch Hitze in den Dialog. Einen Dialog allerdings, und da muss dann doch unterschieden werden, in dem es um nicht weniger ging als um den Philosophen Immanuel Kant. Der mit der „Kritik der reinen Vernunft“.
Worüber man so plaudert beim Einkaufen in Rostow am Don. Was genau Gegenstand der kleinen Unterhaltung war, ob die Metaphysik der Sitten eine Rolle spielte oder die Kritik der Urteilskraft, hat der ortsansässige Justizsprecher nicht übermittelt. Wohl aber, dass einer der Disputanten“, um seine Argumente zu unterstreichen, dem anderen erst die Faust ins Gesicht geschlagen und ihn dann mit einer Luftpistole angeschossen und verletzt habe. Lenkte Kant heute seinen Blick auf den Süden Russlands – er sähe sich bestätigt: „Es ist demütigend für die menschliche Vernunft, dass sie in ihrem reinen Gebrauch nichts ausrichtet…“
Darf uns egal sein, was im Land Puschkins und Putins passiert? Nein. Denn Rostow am Don wird ein Austragungsort bei der Fußball-WM 2018 sein. Liebe Fußballer, bitte keine Gespräche über Philosophen! Weder beim Einkaufen noch in der Gay-Sauna.
Text: Janina Fleischer, Foto © 2013 BonMoT-Berlin