Von Urknall bis Untergang – Kritik Vince Ebert
von Gilles Chevalier
BERLIN – Vince Ebert, der Physiker unter den Kabarettisten, bleibt seinem Image treu. In dunklem Anzug, mit Nerdbrille und Touchscreen präsentiert er sein neues Programm in den ausverkauften Berliner Wühlmäusen. „Evolution“ hatte im September in Frankfurt am Main Premiere.
Es ist ein unterhaltsamer Parfoceritt durch die Wissenschaften, den Ebert zusammengestellt hat. Vom Urknall über die Entwicklung des Lebens auf der Erde bis hin zur kulturellen Entwicklung des Menschen reicht das Spektrum seiner Themen. Kein Wunder, dass bei diesen großen Komplexen so etwas kurzlebiges wie aktuelle Politik keine Rolle spielt! Den ganzen Abend fallen nur drei Politikernamen, obwohl sich bei den „primitive Lebensformen“ doch so mancher Name angeboten hätte. Doch das ist Ebert zu billig und für den Erfolg des Abends überhaupt nicht nötig.
Auch hier fliegen die Milliarden und Millionen nur so durch den Saal. Allerdings sind es Jahre und nicht Währungseinheiten: Vor 13,8 Milliarden Jahren der Urknall, vor 65 Millionen Jahren der Meteoriteneinschlag, der das Leben auf der Erde so gründlich veränderte, dass sich letztlich der Mensch entwickeln konnte, der seit fast 2 Millionen Jahren den Planeten besiedelt. Ein trockener wissenschaftlicher Vortrag ist das aber nicht, dafür sorgen die hohe Gagdichte und Eberts Fähigkeit, komplizierte Vorgänge mit verblüffend einfachen Vergleichen zu erklären.
Schwarze Löcher vergleicht er mit dem Vatikan: „Es dringt keine Information nach draußen und drinnen ist die Zeit stehengeblieben.“ Und schon drei Minuten nach dem Urknall waren 98% der Materie entstanden: „Da kann der Typ mit seinen sechs Tagen aber einpacken!“ Man merkt deutlich, wie hier ein Wissenschaftler spricht. Mit dem Glauben hat es Ebert gar nicht und widerlegt religiöse genauso entschieden wie astrologische Glaubensansätze. Einen Gott braucht er nicht.
Er legt Darwins Evolutionstheorie dar und erklärt, wie der Mensch vor 150.000 Jahren Entscheidungen getroffen hat: Aus dem Bauch heraus. Da gab es „kein Meeting, kein Coaching, keine Mediation und keinen Telefon-Joker.“ Im Prinzip haben wir heute noch das gleiche Gehirn und deshalb sind „Logik und Rationalität nicht unsere Kernkompetenzen.“ Außer bei Physikern vielleicht.
Mit diesem Menschenschlag muss eben etwas anders umgegangen werden. Auch wenn es darum geht, einen Physiker zu heiraten. Auf köstliche Art legt er die romantische Ader des Physikers frei und verbreitet einen wissenschaftlich untermauerten Optimismus zum Leben, zum Ausprobieren und neugierig sein. Selbst auf den Tod und die Zeit danach hat „Evolution“ einen eigenen Blick, denn die 1028 Atome, aus denen eine Mensch besteht, existieren nach dessen Tod schließlich weiter. „Wenn wir sterben, sind wir nicht weg – wir sind nur einfach weniger geordnet! Wir brauchen keinen dreifaltigen Gott – die drei Sätze der Thermodynamik reichen völlig aus!“ Ein toller Gedanke beschließt einen tollen Abend.
Gilles Chevalier © 2013 BonMot-Berlin
Foto: Frank Eidel
Verwandte Artikel:
Vince Ebert: Freiheit ist alles – Kritik (24.05.2012)
Homepage Vince Ebert
Bewerten:
Share this:
Ähnliche Beiträge
SHORTCUTS
Der Monatsrückblick von Faltsch Wagoni auf Bayern 2 +++ Überbrückungshilfe kommt nicht an – Beitrag von plusminus +++ Zum Tod von Juliette Gréco Die Zeit +++ Online Archiv der WDR-Sendungen Kabarett von A bis Zett
Zeigen Sie mit Ihrer Spende, was Ihnen liveundlustig wert ist!

WORLD OF FRIENDS ... die Kleinkunst-Community, schalten Sie hier Ihren eigenen, verlinkten Microbutton - Besuchen Sie die Profis, die 'liveundlustig' fördern
Das Neuste
- BERLINER LUFT jetzt per Stream einatmen
- Arnulf Rating im BKA-Livestream
- Online Kabarett Festival der Bundesvereinigung Kabarett e.V.
- Internationale Kulturbörse Freiburg im Januar 2021 fällt aus
- Sex, Drag and Rock’n’Roll
- Viele Künstler und Theater beleben das Netz, danke!
- #100%Verdienstausfall
- Vernügungstempel und Lasterhöhle
- Exklusive Künstler am exklusiven Ort
- Mit Stock und morbidem Reim rockt die Knef das Altersheim
WORLD OF FRIENDS – Profis fördern liveundlustig
hier die Neuzugänge und Wiederholungstäter, die liveundlustig mit ihrem Microbutton fördern:
– HERZLICH WILLKOMMEN –
Sie wollen auch dabei sein? „hier klicken“
Kategorien
- Bücher/ Print (34)
- Cabartainment (20)
- CDs/ Hörbücher (55)
- Chanson/ schräges Liedgut (346)
- Comedy (186)
- DVDs (5)
- Fernsehen (102)
- Gewinnspiel (1)
- in eigener Sache (19)
- in memoriam (30)
- Interview (15)
- Kabarett (601)
- Kartenverlosung (6)
- Kleinkunst (110)
- Kritik (417)
- News/ Termine (391)
- Portrait (21)
- Preise/ Wettbewerbe (189)
- Premiere (115)
- Radio (40)
- Satire (19)
- Schräges (129)
- Spezial (36)
- Varieté (27)
- Video (207)
- WorldOfFriends (1)
- zu Referenzen (1)
Archiv
weitere Seiten
Nutzung von Rezensionen und Fotos
- 528.217 Besucher in 2019, und ... ... über 2,7 Mil. seit 2010
last word