Ungeheuerliche Abgründe – Kritik Gerhard Polt

Gerhard Polt 01 - Foto Dionys AsenkerschbaumerGerhard Polt mit „Circus Maximus“ auf Tour

von Marianne Kolarik

Von sich selbst sagt Gerhard Polt, dass er keine lineare Existenz sei. Anders als die Figuren, die seinen „Circus Maximus“ bevölkern, jene Menschen-Menagerie, die er auf die Bühne holt, um sie zu Wort kommen zu lassen. Zum Beispiel den passionierten Autonarr, der keine Fußgänger mag und über Apokalyptiker wettert, die ihm die Freude am Autofahren verderben wollen.

„Warum soll ich nicht bei der Wahrheit bleiben“, fragt sich das aus Bayern stammende Mannsbild und lässt sich über die „Dieteils“ an seinem neuen Wagen aus, wie etwa den „Rops“, den Überrollschutz, mit dem Jörg Haiders Auto nicht ausgestattet gewesen sei, „sonst stünde Österreich heute anders da“. Polt kann auch Frauen: mit Kopfstimme, die Hände unterm Hals übereinander gefaltet, monologisiert er/sie über die Jugend, von der heute so viel verlangt würde. Schließlich sei auch Hitler aus der Schule geschmissen worden, und „trotzdem ist was aus ihm geworden“.

Gerhard Polt 02 - Foto Dionys AsenkerschbaumerDabei sind es keineswegs Karikaturen, für die Polt quasi als Medium herhält, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, denen der Satiriker eine in ihrem regionalen Biotop angesiedelte Sprache gibt. Ihre Komik entfalten sie mittels der verqueren Gedankengänge, die gleichwohl einer ganz eigenen Logik folgen, selbstgefällige Zeitgenossen, die es sich in einer eng begrenzten Welt gemütlich gemacht haben. Und wehe, wenn diese bedroht wird. Dann greift man einfach zur Knarre, wie etwa der Tankstellenwart, der seinen Gummibärchenautomaten mit Waffengewalt verteidigt und einen Buben erschießt, der sich daran zu schaffen gemacht hat. Als er deswegen zu 18 Monaten Haft – auf Bewährung – verurteilt wird, fragt er sich empört, in welchem Rechtsstaat er eigentlich lebe.

Der im katholischen Wallfahrtsort Altötting aufgewachsene Kabarettist kennt die Abgründe, die sich auftun, so man seinen Landsleuten in die Seele und ins Gehirn blickt. Wie etwa dem leidenschaftlichen CSU-Sammler, der die von ihm gesammelten Devotionalien einem Heimatmuseum vermachen möchte. Zum Beispiel das Foto von Old Schwurhand (der ehemalige Innenminister Friedrich Zimmermann), auf dem er gerade einen Meineid schwört. Oder der Knochen von der Lieblingsschweinshaxe von Franz Josef Strauß, oder das original „Röhrl“, in das der einstige Staatssekretär Otto Wiesheu geblasen hat, Gerhard Polt 03 - Foto Dionys Asenkerschbaumernachdem er im Vollrausch einen Polen („der war nüchtern, das hat ihm allerdings wenig genützt“) überfahren hat.

Polts Kunst besteht dabei unter anderem darin, die größten Ungeheuerlichkeiten mit treuherziger Miene kund zu tun: ganz so, als fielen sie den Figuren in dem Moment ein. Ihre Tiraden werden hin und wieder unter-brochen von einem unnachahmlich hämischen Lachen, Pausen, Versprechern, elliptischen Sätzen, Wiederholungen, Füllwörtern wie ähh, hmm, gell oder einem: „Verstehn Sie?“. Da fühlt sich jeder Zuschauer persönlich angesprochen – „fast wia im richtigen Leben“. Die Schluss-folgerungen muss jeder selbst ziehen.

© 2013 BonMoT-Berlin

Fotos: Dionys Asenkerschbaumer / PR Poltseite

Die als Biermösl Blosn bekannten Musiker firmieren nun als die Wellbrüder – das sind Stofferl, Karl und Michael Well

die nächsten Termine 2013:

19.11.:  Hamburg – St. Pauli Theater
20.11.:  Hamburg – St. Pauli Theater
21.11.:  Kiel
30.11.:  Neufahrn (Freising) – Oskar Maria Graf Gymnasium, Lesung OMG – mit Wellbrüder
1.12.:  Dachau – Schloss, 17.00 Uhr, (Blutenburger Konzerte), mit Wolfgang Leibnitz, Klavier
7.12.:  Bad Reichenhall –  Theater im Kurgartenzentrum (Sternenzelt)
12.12.:  Singen – Stadthalle, (Gems e.V.)- mit Wellbrüder
13.12.:  CH Frauenfeld –  Casinosaal (Kein und Aber) – mit Wellbrüder
14.12.: CH Solothurn –  Konzertsaal (Kein und Aber) – mit Wellbrüder
15.12.:  CH Zürich –  Volkshaus (Kein und Aber) – mit Wellbrüder
19.12.:  Penzberg – Aktion Kleinkunst, Stadthalle

Alle weiteren Termine auf der „höchst inoffiziellen Homepage“ von Gerhard Polt

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