„Zugabe Leipzig“ von Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder nach fast 30 Jahren auf CD veröffentlicht
von Harald Pfeifer
Noch immer steht unter „Herausragendes Berufserlebnis“ auf der Homepage von Dieter Hildebrandt: „Gastspiel mit Werner Schneyder 1985 in Leipzig/DDR auf Einladung der ‚Leipziger Pfeffermühle‘.“ Befragte man einen der beiden Kabarettisten über das große Ereignis, leuchteten die Augen.
Fünf Jahre vor der Deutschen Einheit, mitten in der deutsch-deutschen Eiszeit und lange vor Gorbatschow und Glasnost passierte etwas Unglaubliches: Zwei Star-Satiriker aus dem Westen standen auf der Bühne inmitten des real existierenden Sozialismus.
Das eigentliche Theater wurde in jenen Januartagen jedoch hinter der Bühne aufgeführt. Die Hauptprotagonisten: Die SED, die Stasi und der Leiter der Leipziger Pfeffermühle, Rainer Otto. Der hatte das Gastspiel eingefädelt, obgleich er nicht absehen konnte, was für Konsequenzen das für ihn haben würde. Er selbst wurde als Genosse der führenden DDR-Partei nach diesem Gastspiel vorsorglich von der Stasi beobachtet. Mehr aber nicht.
Dabei wurde es während des viertägigen Gastspiels heikel, als die Frage gestellt wurde, wer das alles überhaupt erlaubt habe. Kurt Hager, die SED-Bezirksleitung, die Stadtleitung der gleichen Partei, die Mitarbeiter der Staatssicherheit in Leipzig suchten nach einem Schuldigen und drohten schon mit Strafe. Dann aber fand sich ein Schreiben, auf dem mit sauberer Handschrift vermerkt war „einverstanden E.H.“.
Und das war das Kürzel von Erich Honecker. Kurz, dieses Gastspiel zweier Kleinkünstler aus der Bundesrepublik ist vom ersten Mann im Staate DDR genehmigt worden.
Diese „Zugabe Leipzig“ war ein großes Ereignis. Für jeden aus einem anderen Grund. Für jene, die bei 20 Grad Kälte über Nacht erfolgreich angestanden hatten, war das Ereignis natürlich das Programm der beiden bekannten „West-Kabarettisten“, für die war es das unglaubliche Glück, in Leipzig auf der Bühne zu stehen, für den Initiator Rainer Otto war es der Erfolg, weil alle Manöver geglückt waren, für die SED-Genossen war es das Ereignis, dass dieses Gastspiel unter der massiven Beobachtung durch „Westmedien“ ohne Zwischenfall verlaufen war, für manchen Genossen im staatlichen Auftrag war es das zusätzlich noch, im Dienst den beiden Großen des Kabaretts einmal persönlich begegnet zu sein, nur die Stasi war vermutlich unzufrieden. Denn das hätte alles nicht sein dürfen. Fein säuberlich haben sie fünf Jahre später alle Unterlagen vernichtet.
Das legendäre Gastspiel wirkte in der DDR-Wirklichkeit geradezu surreal. Da wurde charmant über das Brieföffnen oder über Missstände geredet, über den Overkill in Zeiten der Hochrüstung oder über den Zweck der Satire. „Schlafen Sie gut, Herr Tucholsky, Ihr Selbstmord war nicht übereilt.“… bei genauem Hinhören kann man heute noch die Spannung greifen, die im großen Saal des Leipziger Informationszentrums geherrscht hat.
Für manchen hat das legendäre Gastspiel die Deutsche Einheit vorweg genommen. Freilich waren die Programmteile zumeist nicht neu. Aber das Material war für diesen Zweck raffiniert zusammengestellt.
West-Kabarett im Osten hatte es in dieser Art sonst nicht gegeben. Und zum Glück ist das Programm aufgezeichnet worden. Vom Radiomann und Kabarettenthusiasten Werner Köhler vom Sender Leipzig. Aber nicht nur das, es wurde auch aus Vorsicht über Nacht kopiert. Zu Recht, denn die Stasi hatte sich den Mitschnitt anschließend aushändigen lassen. Dem Leipziger Redakteur ist es zu verdanken, dass heute diese CD veröffentlicht werden kann.
Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder:
»Zugabe Leipzig« – Der legendäre Auftritt in der »Pfeffermühle« – Live-Mitschnitt
Musik: Christoph-Pauli-Trio
1. Auflage 2013, 2 CDs
ISBN: 978-3-7844-4263-1
16,99 EUR D / 16,99 EUR A / 27,50 CHF (UVP)
LangenMüllerHörbuch
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