Ach schön! – Kritik Simon & Jan

Simon & Jan 02 - Foto PRSimon & Jan: „Ach Mensch“

von Gilles Chevalier

BERLIN (gc) – Die liedermachenden Gitarrenvirtuosen Simon & Jan aus Oldenburg trauen sich manchmal nicht allein auf die Bühne. Für ihre Auftritte in der Berliner ufaFabrik haben sie sich Unterstützung aus ihrer Heimatstadt mitgebracht.

Andi Rüttger eröffnet den Abend am Klavier mit seinen skurrilen Liedern. Da spielen untalentierte Handwerker eine Rolle oder die schöne geheimnisvolle Zahnarzthelferin, von der nur die Augen zu sehen sind. Extra für sie erarbeitet sich Andi Rüttger Schäden am Gebiss, nur um beim nächsten Zahnarztbesuch festzustellen, dass die gerade in Urlaub ist!

Das ist aber noch gar nichts gegen „Wacholger“. Der entstammt der Liebe eines Menschen zu einem Wacholderstrauch. Bevor er einen typisch menschlichen Lebensweg mit Hochzeit und Scheidung geht, wird er mit 14 Jahren Punk. Dann trägt er „bunte Blätter, nicht nur im Herbst.“ Ein kurzweiliges halbes Stündchen probiert Andi Rüttger erfolgreich seine Lieder aus.

Dann kommen Simon Eickhoff und Jan Traphan ins Rampenlicht und greifen nach ihren akustischen Gitarren. Ihr Programm „Ach Mensch“ entwickelt sich sehr schnell zu einem Ohrenschmaus. In höchster Präzision spielen sie auf ihren Instrumenten, meist synchron, bisweilen auch virtuos. Sie schaffen es sogar, das Stimmen ihrer Gitarren auf offener Bühne als neues Instrumental zu verkaufen! Ab und an kommt die Loop Machine zum Einsatz, mit der nach und nach so viele Sequenzen aufgezeichnet werden, dass ein ganzes Orchester zu spielen scheint.

„Ach Mensch“ hat eine simple Arbeitsteilung: Während Simon und Jan gemeinsam Gitarre spielen und singen, ist das Moderieren ausschließlich Jans Aufgabe. Simon zählt derweil die Anzahl seiner Saiten und prüft stumm, ob sie richtig gespannt sind. Das Publikum kann so sehr konzentriert dem wunderbar unaufgeregten Vortrag der beiden folgen.

Simon & Jans Lieder, die überwiegend schon bei ihrem Wettbewerbsauftritt um die Sankt Ingberter Pfanne hier besprochen wurden, liegen thematisch mitten im Leben der Generation um die dreißig: Übermäßige Internetanwendung, ein Blick hinter die Kulissen einer Fernseh-Volksmusikproduktion oder Enttäuschung über verehrte Filmstars, die sich der schnöden Werbung hingeben. Doch lustige Stücke sind nicht alles an diesem Abend.

In „Willkommen im Jahr der Apokalypse“ machen sie sich ganz ernste Gedanken über das Ende der Welt und in „Ach Mensch“ sprechen sie sehr offen religiöse Überempfindlichkeiten und eine fanatische Glaubens- und Sinnsuche an. Das eine oder andere Cover von Rio Reiser oder Rainald Grebe ist auch dabei.

Manchmal flammen ihre Lieder nur kurz auf und haben nicht mehr als eine Streichholzlänge. Diese spaßigen Inventionen handeln von Pferdefleisch in der Lasagne oder Stimmungsschwankungen. Nach wenigen Zeilen ist das Lied zu Ende. Es bleibt Verblüffung – doch mehr muss zum jeweiligen Thema auch nicht gesagt werden!

Musikalisch sind Simon und Jan eindeutig wiedererkennbar. Ihren Stil haben sie gefunden, gleichzeitig verstehen sie es auch, fremde Stile zu parodieren. Da ist so eine Invention mit der Textzeile „Werd doch endlich Juni // Wann ist der Winter bloß vorbei?“ Hier geht es um die Emanzipation der beiden jungen Liedermacher von einem Berliner Liedermacherübervater. So, sagen sie, wollen sie nicht werden! Ernstlich besteht diese Gefahr bei Simon und Jan auch nicht. Die Oldenburger sind längst auf ihrem eigenen Weg. Dann macht’s gut!

Homepage Simon & Jan – Homepage ufaFabrik

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