Gerhard Polt Ex-Kinostar – Ein Abgesang

Polt Äktschn-01 - Foto PR Majestic FilmverleihDer bayerische Kabarettist und seine neue Kinokomödie „Und Äktschn!“
im Kino ab 6. Februar 2014

von Axel Schock

Wer möchte schon, dass seine Filmkarriere ausgerechnet mit einem veritablen künstlerischen wie finanziellen Flop endet?

Das muss umso mehr schmerzen, wenn man – wie Gerhard Polt mit „Kehraus“ (1982) und „Man spricht deutsh“ (1988) – zwei bis heute gültige Satiren für die große Leinwand geliefert hat. Ob seine Milieustudie über deutsche Versicherungsangestellte oder über das Verhalten deutscher Pauschaltouristen – auch noch 30 Jahre später bleibt einem bei diesen erschreckend authentischen Alltagsbeobachtungen das Lachen im Halse stecken.

Doch schon „Herr Ober“ von 1992 war eine eher laue und brave Angelegenheit. „Germanikus“, entstanden 2001 und wieder inszeniert von Polts künstlerischem Partner Hans Christian Müller, endete schließlich in einem traurigen Desaster. Fast drei Jahre hatte man sich mit dem Verleih um eine halbwegs präsentable Schnittfassung gestritten, doch alle Versuche, die Germanenkomödie noch irgendwie zu retten, waren zum Scheitern verurteilt. Für Polt bedeutete das Projekt nicht nur einen immense finanziellen Verlust, er wird es auch als künstlerischen Offenbarungseid empfunden haben.

Ein gutes Jahrzehnt ist seither vergangen. Polt ist und bleibt einer der besten Bühnenkabarettisten des Landes, und zu Recht über die Generationen hinweg geschätzt. Eigentlich müsste er sich nichts mehr beweisen. Die Leinwandpleiten aber scheinen ihn gejuckt zu haben.

Polt Äktschn-03 - Foto PR Majestic FilmverleihNun also Polt-Film Nummer 5. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Autor dieser Zeilen gehört zu den großen Verehrern Polts. Nichts läge ihm ferner, als diesem Meister unnötig ans Bein pinkeln und verdiente Meriten missgönnen zu wollen.

Ganz im Gegenteil: Die Vorfreude auf Polts neuen Film war groß, und wie sehr hatte man sich erhofft, von Polt wieder einmal auf seine ureigene Weise die Abgründe klein- und spießbürgerlicher Lebenswelten vorführen zu lassen.

Und dann das. Schon lange nicht mehr vor Fremdscham so tief im Kinosessel versunken, schon lange nicht mehr so betreten aus dem Lichtspielhaus geschlichen. Was für eine traurige, ernüchternde Veranstaltung. „Und Äktschn!“ ist so richtig in die Hose gegangen.

Dabei schien das Ganze sich zunächst gut anzulassen. Polts neuer Filmcharakter ist eine weitere Variante seiner längst klassischen Bühnenfigur: ein leicht naiv wirkender, gutmütiger Bayer, der uns in verschwurbelten Satzkaskaden seine Sicht auf Gott und die Welt mitteilt. Die Welt des Hans A. Pospiech endet an der Stadtgrenze seines Provinzkaffs. Die im Minutentakt über die triste Gemeinde hinwegdröhnenden Flugzeuge erzeugen keineswegs Fernweh, sondern animieren Pospiech lediglich zu einer Tirade gegen den Reiseirrsinn.

Polt Äktschn-02 - Foto PR Majestic FilmverleihWarum denn in die Ferne schweifen, wenn man sich auch durch einen Film zu anderen Menschen, Ländern und Abenteuern hinfantasieren kann. Pospiech glaubt an die Macht und Wirkung der Filmkunst und versucht als Amateurfilmer den großen Regisseuren nachzueifern – wenn auch freilich mit sparsameren Mitteln und noch spärlicherem künstlerischen wie kommerziellen Erfolg.

Seit ihn seine Ehefrau aus dem Haus geworfen hat, haust er in der Garage, die ihm gleichermaßen auch Filmlager, Büro und Studio ist. Auf dem Bankkonto sieht’s düster aus, der Verkauf von Weltkriegs-Memorabilien seines Vaters bringt nur ein spärliches Zusatzeinkommen. Ein Lichtblick ist der Filmwettbewerb der örtlichen Sparbank. Pospiech will nicht nur das Preisgeld, er träumt vom Durchbruch: mit einem Spielfilm über den wahren, den privaten Hitler.

Der Musiklehrer und Plattenladenbesitzer Fleischhauer (Robert Meyer) soll mit Toupet und Bärtchen den Führer geben, die Kneipenwirtin Grete Neuried (Polts wunderbare Stammschauspielerin Gisela Schneeberger) die fesche Eva Braun. Auf Blondi wird mangels Vierbeiner verzichtet.

„Und Äktschn!“, das sollte wohl eine Hommage an die längst im Untergang begriffene Kultur der Filmclubs und Amateurfilmer alter Schule werden und zudem den nicht abbrechenden mediale Hitlerkult auf selbstreferentielle Weise auf die satirische Spitze treiben.

Was daraus hätte werden können, ist in einer Szene immerhin zu erahnen. Eva Braun und Adolf Hitler sitzen in einem Café und haben Probleme bei der Kuchenauswahl: Prinzregententorte oder Zwetschgendatschi? „Meinst net, Adi, wir sollten heute vielleicht an den Chiemsee nausfahren, is so schön heut?“, bringt Eva Braun den Führer in ein weiteres Entscheidungsdilemma, der sich aber staatsmännisch zu winden weiß. „Mein liebes Tschapperl, Du hast ja recht, aber die derzeitige Lage in Europa lässt mich nicht frei und ungezwungen einfach herumspazieren.“

Polt Äktschn-08 - Foto PR Majestic FilmverleihSpäter, bei der Nottrauung im Führerbunker, gedreht freilich in Pospiechs Garage, wird dilettiert und improvisiert, dass es dem Hobbyhistoriker und heimlichen Hitlerverehrer Brunnhuber (Olaf Krätzke) ein Graus ist.

Ein schwyzerdütsch sprechender Nazidevotionaliensammler (Viktor Giacobbo) gibt den Standesbeamten, ein indischer Koch in SA-Uniform den Trauzeugen. Könnte das komisch sein? Und warum schaut ein bis auf den letzten Platz gefüllter Kinosaal diesem Treiben dennoch so schweigend zu? Kein Lachen, nicht mal ein Glucksen.

An Gisela Schneeberger liegt es nicht. Sie spielt die resolute Gastronomin und ehrgeizige Laiendarstellerin mit liebenswert kühlem Charme. Viele der anderen Darsteller agieren allerdings so unkonzentriert, als hätten die Dreharbeiten ohne Regie stattgefunden.

Die Geschichte samt ihrer oft faden, abgedroschenen, zahnlosen Witzchen zieht sich zäh dahin. Manche Pointe ist schon verpufft, bevor sie endlich ausgesprochen ist. Und über lange Strecken wirkt die Inszenierung des österreichischen Regisseurs und Ko-Autors Frederik Baker, der bislang nur mit Dokumentationen in Erscheinung getreten ist, als habe sich der Dilettantismus der Hobbyfilmer-Figuren unabsichtlich auf die Dreharbeiten übertragen. All das, was Polts geniale Fernseharbeiten und seine beiden ersten Kinoerfolge auszeichnete – die makabre und beißende und doch treffsichere Sozial- und Gesellschaftskritik, die tragikomische Verdichtung und groteske Überzeichnung – all das vermisst man hier auf geradezu schmerzliche Art und Weise.

So traurig es klingen mag, der getreue Polt-Fan wird sich verhalten wie seinerzeit bei „Germanikus“, das Filmwerk schlicht aus dem Gedächtnis streichen und sich bei Gelegenheit mal wieder „Kehraus“ oder „Wia im richtigen Leben“ anschauen. Und Gerhard Polt wünscht man, dass er diesen zu erwartenden Flop wird mit Fassung ertragen können.

Infos:
„Und Äktschn!“ D/A 2013. Regie Frederick Baker. Mit Gerhard Polt, Gisela Schneeberger, Olaf Krätzke, Maximilian Brückner, Nikolaus Paryla, Viktor Giacobbo. 98 min.,
Kinostart 6. Februar 2014

Link zum Trailer – Homepage Gerhard Polt

Fotos: Majestic Filmverleih

Polt Äktschn-05 - Foto PR Majestic Filmverleih

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