Mia Pittroff: „Mein Laminat, die Sabine und ich“
von Gilles Chevalier
BERLIN – Die Bayreutherin Mia Pittroff macht aus ihrer fränkischen Herkunft kein Geheimnis. Viel zu selten wird dieser Dialekt so charmant dargeboten. Das war ein Grund für ihren gefeierten Auftritt im BKA-Theater in Kreuzberg. Aber natürlich lag es auch an ihren Liedern und Geschichten.
Diese Geschichten sind vielfältig, sowohl in Thema als auch in Perspektive. Mia Pittroff vermeidet es konsequent, aus der eindimensionalen Sicht einer alleinstehenden oder verlassenen oder unglücklichen Frau Anfang dreißig zu erzählen. Zwar spielen Familie, Freunde und Freizeit eine tragende Rolle, aber ihre Themen könnte auch ein Mann um die fünfzig auf der Bühne behandeln.
Mit den Geschichten kann sich das Publikum identifizieren. Da sind die kleinen Erlebnisse vom Gang zur Post oder vom Buddhismus-Wochenende auf einer ungeheizten Burg. Obwohl: „Eigentlich passt ja alles. Aber Du kannst ja nicht 350 Euro für ein Buddhismus-Seminar ausgeben, ohne ein Problem zu haben!“
Pittroff entwickelt das Krankheitsbild „Vielzutun“, das ihre Freundin vom Kaffeetrinken mit ihr abhält. Und sie beschreibt eine Trennung in all ihren schmerzhaften Phasen. Allerdings geht es da nicht um ihren Freund, sondern um das Walnuss-Laminat, auf dem keine Spuren der Benutzung zu sehen sind. „Laminat ist wie ein Holzboden mit Demenz“, ruft sie aus. Deshalb muss sie sich von ihm trennen. Der Abschied auf dem Wertstoffhof gerät dann zu einer ergreifenden Trauerfeier mit der ganzen Familie. Schön, wenn so gekonnt falsche Fährten gelegt werden. Bei all dem ist die Künstlerin angenehm unaufdringlich und hat die Rampensau schon vorab zu fränkischem Schweinsbraten verarbeitet.
Mia Pittroffs Programm „Mein Laminat, die Sabine und ich“ ist nicht so einfach gehalten, wie ihre Tanzschritte auf der Bühne. Die machen anwesenden Männern mit Tanzeinschränkung Mut: „Sieh an, es gibt auch Frauen mit diesem Leiden“, scheinen manche zu denken. Mia Pittroff sagt: „Ich habe nichts gegen Männer, aber ich hab was gegen Milchkaffee!“ Vor allem, wenn er bei einem ersten Treffen mit einem Mann getrunken wird. Dieser Milchkaffe sorgt häufig dafür, dass aus dem Mann ein rechter Jammerlappen wird, der unbedingt sein Herz ausschütten will. Pittroff bevorzugt Apfelsaftschorle, ein Sportlergetränk. Sie singt „Ich will an Skifahrer“ und erteilt damit allen Romantikern und Kinderwagenschiebern eine Absage.
Nur in Berlin übrigens lässt sich Mia Pittroff live begleiten, die Konserve bleibt in der Hülle. Franziska Bopp spielt auf dem Flügel. Sie stammt aus Schwaben und hat ihre verzweifelte Suche nach echten Berlinern in Berlin in das Lied „Ich bin in Berlin“ gegossen. Sehr aufmerksam hat Franziska Bopp dabei die Mütter im Café Kiezkind am trendigen Helmholtzplatz beobachtet. Sie gehen „zwei Hauptbeschäftigungen nach: Stillen und Chillen.“
Sehr schön auch Pittroffs Lied „Jürgen“. Da geht es um einen kreuzbraven und sehr engagierten Mitbürger, der jedoch eine Schwachstelle hat: Parkt jemand in Jürgens Einfahrt, wird er zum Tier. Dann beleidigt er hemmungslos und schlägt wild auf den Parkenden ein. Ist der eigentlich ADAC-Mitglied? Hat der kein Schild mit der schönen Aufschrift „Dies ist ein Garagentor, nur ein Trottel parkt davor“ angebracht? In Mia Pittroffs Phantasie hat er all das nicht getan. Dafür heißt Jürgens letztes Opfer Sabine, was wiederum den Titel des Programms erklärt. So kommt alles zusammen. Bis zum neuen Programm von Mia Pittroff, das Ende des Jahres seine Premiere erleben wird.
© 2014 BonMot-Berlin
Foto: Kultus Köln
Homepage Mia Pittroff mit allen Tourdaten – Homepage BKA
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