Özcan Cosar und Simon & Jan überzeugen Publikum und Jury in Bonn
Die ersten beiden Gewinner des Prix Pantheon 2014 stehen fest – Online kann ab 5. Mai vier Wochen lang gevotet werden
von Marianne Kolarik
BONN – Komiker haben nicht alle Tassen im Schrank: Eine im Januar im „British Journal of Psychiatry“ veröffentlichte Studie, die auf einer Umfrage von 404 männlichen und 119 weiblichen Comedians basierte, hatte ergeben, dass diese wesentlich häufiger als Menschen in anderen künstlerischen Berufen zu psychotischen Reaktionen neigten, einen Mangel an Beziehungsfähigkeit aufwiesen und zu Depressionen tendierten.
Die zwölf Kandidaten beim 20. German Spaß- und Satire-Open-Wettbewerb des Bonner Prix Pantheon 2014 untermauerten die Ergebnisse dieser Erhebung allerdings nur sehr bedingt, zeigte sich doch, wie groß die Bandbreite an Nachwuchskünstlern ist und wie unterschiedlich ihre Versuche, das Publikum innerhalb von 20 Minuten von ihren komödiantischen Talenten zu überzeugen.
Am besten gelang das Özcan Cosar, der den Publikumspreis in der Kategorie „Beklatscht und Ausgebuht“ erhielt – und damit eine Art Bonus auf seine Karriere. Erfahrungsgemäß stürzen sich Veranstalter und Agenten auf den Ausgezeichneten, hat er doch bewiesen, dass die Zuschauer ihn klasse finden, was sich später an der Theaterkasse bemerkbar macht.Insider wiederum schätzen den Jurypreis in der Kategorie „Frühreif und Verdorben“, der an das Duo Simon & Jan ging. Das Duo aus Oldenburg singt – meist im Duett – wie einst Simon & Garfunkel, spielt Akustikgitarre und verrührt in seinen Texten gebündelte Gesellschaftskritik, verspielte Poesie und urkomischen Nonsens. Beispiel: „Zwei Schichten Nudeln und ein Pferd aus der Bretagne, das ist noch lang keine Lasagne“.
„Ich bin ein Fan vom Tod“, antwortet die ältere Dame auf die Frage, für welchen der sechs Künstler beziehungsweise Duos sie am ersten der beiden Abende stimmen würde.Der Mann mit der Fistelstimme und seiner praktischen Sense to go hatte die wahrlich nicht einfache Aufgabe, als Opener aufzutreten.
Warum auch immer – die Reihenfolge wurde in diesem Jahr nicht ausgelost, sondern offenbar weitestgehend von Vertretern des Westdeutschen Rundfunks delegiert. Was zur Folge hatte, dass nicht der Zufall den dramaturgischen Faden in der Hand hielt wie bisher, sondern Leute, die ihn ungeschickt auf- und abwickelten.
Was die unterstellten psychischen Defekte der Newcomer angeht: Bei den insgesamt zwölf Kandidaten der beiden Wettkampftage ließ sich vor allem eines feststellen: Auch Depri-Nummern können sehr lustig sein. Wie etwa die von C. Heiland, der das japanische Instrument Omnichord beherrscht und dazu die haarsträubende Geschichte von seiner ersten großen Liebe erzählt, die auf dem Berliner Alexanderplatz von einem Meteoriten erschlagen wurde.
Von den insgesamt vier nominierten Frauen rockte sich das aus Zürich kommende Duo Knuth & Tucek umweglos in die Herzen der Zuhörer: Vöglein zwitschern und Schafe blöken in dem Lied über ein idyllisches Bergdorf, in dem ein pädophiler Priester sein Unwesen treibt. Wie sich ein Fleischlaberl verdoppelt, wird im „Heimweh nach Wien“ hingebungsvoll beschrieben und eine frohe Message in dem Song vom grundsätzlichen Gutsein des Menschen verbreitet – all das gewürzt mit schwarz-humorigem Sarkasmus, hinter dem eine desillusionierte Weltsicht durchscheint.
Ebenfalls aus der Schweiz: Michael Elsener, der vom Schlaraffenland und dem dort verbreiteten Bankgeheimnis erzählt: Ein politischer Querkopf, von dem man gerne mehr gehört hätte. Oder Henning Schmidtke, Musikkabarettist mit einer Mission und Metaphern im Gepäck. Lars Redlich unterhält mit einer Parodie auf eine Schlagernacht und Onkel Fisch alias Adrian Engels und Markus Riedinger sind zwar alles andere als Nachwuchs, entfalten aber einen ganz eigenen Humor zwischen Wiedervereinigung und Mülltrennung. Optische Glanzlichter setzten Kristina Kruttke und Enissa Amani auf: bei genauerem Hinsehen ließen sich eine ganze Reihe männlicher Stielaugen im Publikum ausmachen. Beide Prachtweiber spielen mit ihrer Außenwirkung – was sich wohl nicht jedem auf Anhieb erschloss.
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Dass Florian Schroeder, der „kleine Bruder von Markus Lanz“, souverän und mit viel Selbstironie durch das Programm führte, versteht sich fast von selbst. Dass er überdies auch noch improvisieren kann, wird die Fernsehverantwortlichen nicht allzu sehr begeistert haben. Aber Schroeder hat einen Schuldigen gefunden: Es ist die Wochenzeitung „Die Zeit“, die ein Besucher mitgebracht hatte, um sich den Artikel unter der Überschrift „Ist Scheidung erblich?“ in Ruhe zu Gemüte zu führen.Hausherr Rainer Pause, der im Laufe der beiden Abende zusammen mit Norbert Alich als Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen seinen Senf zu allem und jedem gab, weist auf die Vielfalt der Szene, unter deren Dach sich inzwischen gar Puppenspieler in allen möglichen Varianten tummelten. „Das war früher undenkbar“, sagt er, „die Palette dessen, was man unter Kleinkunst erfasst, ist noch breiter geworden“. So machte sich beispielsweise Benjamin Tomkins mit seinem sprechenden „alten Sack“ Gedanken über den Sinn des Daseins.

Die Bonner Variante von Statler und Waldorf. Als Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen kommentieren Rainer Pause und Norbert Alich das Geschehen auf der Pantheon-Bühne.
Text: Marianne Kolarik ©2014 BonMoT-Berlin
Fotos: Rainer Hagedorn ©2014 BonMoT-Berlin
Infos:
Der Prix Pantheon wird in vier Kategorien vergeben und ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert.
Der Online-Preis „Geklickt und Gevotet“ wird zwischen dem 5.5. und 5.6. über Stimmabgabe HIER beim WDR ermittelt. Neben den beiden Preisträgern Simon & Jan und Özcan Cosar stellen sich Benjamin Tomkins, Kristina Kruttke, C. Heiland, Henning Schmidtke, Lars Redlich, Enissa Amani, der Tod, Michael Elsener, Knuth & Tucek und das Duo Onkel Fisch der Online-Wahl.
Der Sonderpreisträger in der Kategorie „Reif und Bekloppt“ wird bei der Pantheon-Gala am 5. Juni im Bonner Brückenforum bekanntgegeben.
Das WDR Fernsehen präsentiert ab dem 11. Mai, sonntags um 23:15 Uhr, in vier Sendungen jeweils drei der Nominierten.
Im Hörfunk wird der Wettbewerb in drei Sendungen der WDR5-Reihe „Streng öffentlich!“ ab 11. Mai, sonntags ab 20:05 Uhr, ausgestrahlt.
Homepage Prix Pantheon
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