Am 31. Mai feiert die Schauspielerin und Diseuse ihren
90. Geburtstag
von Harald Pfeifer
BERLIN – Man verbindet sie vor allem mit Bertolt Brecht, mit seinem Theater – mit der Mutter Courage, die sie 13 Jahre im BE, dem Berliner Ensemble, spielte, schrieb sie Theatergeschichte – und natürlich verbindet man sie mit den Brecht-Songs, also auch mit Hanns Eisler, Kurt Weill und Paul Dessau. Aber das ist noch lange nicht alles. Gisela May ist auf Vielfalt aus.
Wenn man sie erzählen hört, war sie in ihrem Arbeitsleben immer in erster Linie Bühnenkünstlerin und erst in zweiter Brechtianerin oder wie man das heute nennen würde. Ihre Interpretationen standen für die Zeit der DDR und waren mit der Hoffnung verbunden, dass die Genossen ganz oben das Ideal des Sozialismus nicht zu Schanden reiten.
Die Anfänge
Geboren in Wetzlar, verbrachte Gisela May ihre Kindheit und Jugend jedoch in Leipzig. Dass sie, wie ihre Mutter, Schauspielerin werden würde, stand recht früh fest. Ihr Vater, Ferdinand May, war Schriftsteller und Mitbegründer des ersten Nachkriegskabaretts im Osten „Die Rampe“ und arbeitete später jahrelang als Chefdramaturg am Leipziger Theater. Neben einer solchen anerkannten künstlerischen Autorität blieb nicht viel Platz. Gisela May verließ die Stadt. Sie wollte nicht immerfort die Kleine vom großen Ferdinand May sein. Das war das Beste, was man als junge Schauspielerin in dieser Situation hatte tun können.
Der Durchbruch
Nach Engagements in Dresden, Schwerin und Görlitz sah sie im Theater in Halle Wolfgang Langhoff, der sie dann 1951 ans Deutsche Theater holte. Dort spielte sie in Stücken von Molière, Lessing, Schiller oder Nestroy wie auch Kipphardt. Und 1957 hatte Ernst Busch eine Brecht-Matinee geplant. Der Barrikaden-Tauber hatte sich bei den Proben für die Galilei-Inszenierung mit dem Meister gründlich überworfen und aus Zorn dann die Matinee nicht im BE, sondern im Deutschen Theater 1957 geplant. Ursprünglich war Gisela May dafür gar nicht vorgesehen. Aber als eine Protagonistin dann erkrankte, war die May die Einzige, die alle die vorgesehenen Lieder bereits in ihrem Repertoire hatte. Und die Matinee war der Start für ihre Gastspiele in ganz Europa und auch in Australien und den USA.
Die Auszeichnung
1961 wechselte May zum Berliner Ensemble und erlebte dort fünf Jahre nach Brechts Tod die Allgegenwart des Meisters, aber auch die lebendige Fürsorglichkeit der Weigl. Gisela May gehörte in dieser Zeit zweifellos zum „inner circle“ der Berliner Theaterszene und wartete dann mit einem Lebensgefährten auf, der im politischen Berlin für Diskussionen sorgte. Acht Jahre lebte sie in ihrer Wohnung in der Friedrichstraße mit dem Philosophen Wolfgang Harich zusammen. In dieser Zeit nahm sie Brecht/ Weills „Die sieben Todsünden der Kleinbürger“ auf. Diese Interpretation bekam Modellcharakter. Und 1968 wurde die in Paris mit dem „Grand Prix du Disque“ ausgezeichnet. Das war ihr besonders viel wert, denn diese Ehrung kam von „außen“ und aus dem „Westen“.
Die Gastspiele
Das waren dann auch die großen Jahre des BEs. Brecht wurde in der Theaterwelt hoch geschätzt. Und ebenso die Interpretationen der Brecht-Songs von Gisela May. Die Gastspiele häuften sich, was Auswirkungen auf ihr Engagement beim Berliner Ensemble hatte. Sie war auf den Bühnen Europas zuhause, gastierte in Australien wie auch in den USA. Das war ihre Zeit, sie wurde als Weltstar gefeiert. Und das war kein Zufall: Das lag vor allem an ihrem großen Gestaltungsvermögen, ihrer Vielseitigkeit, Kraft, aber auch Sensibilität. In New York machte sie über Umwege auch Bekanntschaft mit den Chansons von Jacques Brel, die sie selbst später mit deutschen Texten sang.
Die wechselnden Zeiten
Theatergeschichte hat die May mit ihrer „Courage“ geschrieben. 1978 wurde das Brecht-Stück von Peter Kupke inszeniert und nach 500 Aufführungen 1992 abgesetzt. Und dann erlebte sie die wechselnden Zeiten, den bitteren Abschied vom BE. Ihr Vertrag wurde nach 30 Jahren nicht verlängert. Danach spielte sie mit Evelyn Hamann zusammen Krimis, sang mit Helen Vita Schlager aus den 20er-Jahren und immer wieder jene Songs, mit denen Sie in aller Welt gefeiert wurde.
©2014 BonMoT-Berlin
Foto: Homepage Gisela May