Glücklich und zufrieden – Kritik Martina Schwarzmann
Martina Schwarzmann: „Gscheid gfreid“
von Gilles Chevalier
BERLIN – Seit Februar 2014 ist Martina Schwarzmann mit Ihrem fünften Programm „Gscheid gfreid“ unterwegs. Viele ihrer Auftritte in Bayern sind schon lange im Voraus ausverkauft. Im Theater der Wühlmäuse erlebte Frau Schwarzmann am Sonnabend jetzt selbst eine Premiere: Zum ersten Mal in Berlin vor ausverkauftem Haus zu spielen! Publikum und Künstlerin haben einen wundervollen Abend erlebt.
„Gscheid gfreid“ ist nämlich eine hervorragende Melange aus alten und neuen Elementen der Martina Schwarzmann.
Altbewährt ist ihre sprachliche Darstellung. Frau Schwarzmann stammt aus Oberbayern, also dem Großraum München, und lässt das in jedem gesprochenen Wort durchscheinen. Nach ein paar Minuten hat man sich daran gewöhnt, und die völlig unbekannten Begriffe aus ihrem Dialekt übersetzt sie auch ins Hochdeutsche. Deutsch mit Untertiteln, sozusagen. Niemand muss sich also ausgeschlossen fühlen.
Auch ihre Gitarre ist wieder mit auf Tour. In „Gscheid gfreid“ wird sie viel abwechslungsreicher als in früheren Programmen eingesetzt. Die Lieder sind wie eh und je augenzwinkernd. Martina Schwarzmann singt beispielsweise ein Lied über Multitasking, also den Hang, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen und sich zu verzetteln – nur, um anschließend die eingesparte Zeit zum Beseitigen des entstandenen Schadens zu verwenden. Oder eines über den „Weltdeppentag“. Eingeleitet mit den Worten: „Mein Vater sagt immer: ‚Jeden Tag steht irgendwo ein Blöder auf.‘ Aber heute sind sie alle aufgestanden!“
Genau das ist das Neue: Die vielen Geschichten, die Martina Schwarzmann erzählt. Meist basieren sie auf Alltagsbeobachtungen und könnten so oder so ähnlich auch jedem Zuschauer passiert sein. Minutenlang kann sie über das Warndreieck in ihrem alten Auto erzählen: Jede neue Wendung führt zu einem neuen Lacher. Häufig bilden ihr Ehemann und ihre beiden kleinen Kinder die Ausgangspunkte der Geschichten. Ob es um Familientreffen, Friedhofserlebnisse oder ihren Hang zum Zufriedensein geht – Martina Schwarzmann erzählt in einer nahezu privaten Art. Die anderen 500 Zuschauer im Saal vergisst man einfach.
Martina Schwarzmann hat sich ihre natürliche Art bewahrt – und die Hochachtung vor ihrem Publikum. Mit einer selten wahrgenommenen Zielstrebigkeit gestaltet sie das Programm. Im Wortumdrehen schafft sie es, dem Publikum einen gelungenen Abend zu bereiten. Sie weiß: „Wer gern mal wieder Schmetterlinge im Bauch hätte: Jetzt ist die richtige Zeit, um Raupen zu essen.“ Und gibt auch zu: „Wenn ich nachts um zwei vom Auftritt nach Hause komme, habe ich früh um sechs noch gar kein Interesse an meiner Familie.“
Gelegentlich wird das Programm bitterböse, etwa beim Heimatgedicht „Da bin i dahoam“. Schonungslos rechnet Schwarzmann dann mit der Idylle ab, die die bayerische Landesrundfunkanstalt in ihren Image-Trailern anpreist. Kleingeistigkeit und Intoleranz, die gerne mit dem Heimatbegriff zugedeckt werden, stehen plötzlich im Mittelpunkt. Auch das philosophische Lied „Mein Regenwurm“ hat es in sich, denn „zwischen Christbaum und Brennholz liegen oft nur vierzehn Tage“. Lebensklug ist Martina Schwarzmann, aber nie altklug. Das macht dieses Programm so sehenswert.
© 2014 BonMot-Berlin
Foto: Gregor Wiebe/ Carsten Bunnemann
Homepage Martina Schwarzmann – Homepage Wühlmäuse
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