On stage tonight: David Werker, Michael Elsener, Michi Marchner
von Gilles Chevalier
ST. INGBERT – Die Eröffnungsansprache zur 30. Woche der Kleinkunst um die Sankt Ingberter Pfanne könnte ein Zeichen gewesen sein. Sprach doch der Oberbürgermeister der Stadt, Hans Wagner, ausdrücklich von „Comedians“ im Wettbewerb. Das lässt aufhorchen! Als übergreifendes Thema der vier Wettbewerbstage gab er „allgemeine Lebensberatung“ an.
Bei Philipp Scharri, dem Moderator der Veranstaltung, hat die Lebensberatung bereits gegriffen: Er hat sich einen neuen Anzug verpassen lassen und reimt sich in diesem Jahr in silber-changeant Stoff an die Künstler heran. Sein Kommentar zur derzeit deutschlandweit grassierenden Warnstreikwelle im Verkehrswesen: „Droht die GDL mit Warnstreik, bring Dir Dein Zelt mit auf den Bahnsteig!“
David Werker, Jahrgang 1985, eröffnet den Wettbewerb mit Ausschnitten aus seinem Programm „Es kommt anders, wenn man denkt“. Werker, dem sich das omnipräsente Iphone als Silhouette an der rechten Hosentasche seiner Jeans abgezeichnet hat, ist ein Mann des Groben. Genauer: des groben Klischees. Er zieht über die Studenten her, die vor 12 Uhr in keiner Veranstaltung auftauchen und die nach 27 Semestern nochmal überlegen, das Hauptfach zu wechseln. Das Motto dieser aussterbenden Generation heißt: „Der späte Wurm überlebt den frühen Vogel“.

„Es kommt anders, wenn man denkt“
Es dürfte schwierig sein, aktive Vertreter dieser Gattung heute noch zu treffen. Schließlich haben Bachelor- und Masterstudiengänge zu einer steten Verschulung des Unibetriebs geführt. Also erzählt Werker mit seiner klischeeüberlasteten studentischen Weltsicht einen harmlosen Traum. Er zählt sich zur „Generation Selfie“ und wirft einen Blick auf Andersaltrige. Auf die Jugendlichen im Bus mit ihrer verkümmerten Sprache oder auf das gerade volljährig gewordene Personal im Sonnenstudio mit seiner lederhaften Haut hat er es abgesehen.
Die Generation seiner Eltern kommt ebenfalls nicht ungeschoren davon. Vor allem, wenn sie sich mit moderner Technik auseinandersetzen will. Silver Surfer wollen einige werden und sich trotz grauer Haare im Internet bewegen. Hierfür sind sie auf die Hilfe ihrer interneterfahrenen Kinder angewiesen. Das führt zu heiteren Missverständnissen und Nachfragen, von denen Werker zu berichten weiß. Faszinierend seine Beobachtung, wie sich die Kinder über die ersten Schritte der Eltern im Netz unterhalten: Das ist nicht weit weg von Spielplatzgesprächen über Dreijährige…
Auch ist ein Smartphone schwieriger zu benutzen als das gute alte Telefon mit Wählscheibe und Schnur. Werker gibt auch hier seiner Mutter technischen Support. Das tut er nicht ganz uneigennützig. Schließlich muss er seine Mutter erreichen können, weil ihm sonst niemand die Waschmaschine erklärt. Doch diese Selbstironie nimmt man ihm nicht richtig ab – dafür ist er zu cool und spielt zu sehr mit dem Image des bösen Jungen. Höflicher Applaus für David Werker.
Michael Elsener aus der Schweiz geht da feiner zu Werke. Er hat zum Sprung über den Rheinfall angesetzt und sein Programm „Schlaraffenland – Da kann ja jeder kommen“ ganz auf Deutschland ausgerichtet. Elsener schaut sich die Deutschen aus der Schweizer Perspektive an. Ist ja nicht ganz unbelastet, das Verhältnis der beiden Völker. Seit vermehrt Deutsche in die Schweiz ziehen, sprechen böse Zungen dort von der „Neuen Deutschen Welle“ oder gar vom „Teutonen-Tsunami“. Aber böse zu sein, ist nicht Michael Elseners Art.

„Schlaraffenland“
Er geht die Sache verschmitzt an. Von den Apfelsaft- und Weißweinschorlen, die sein deutscher Freund trinkt, schließt er auf die Schorlen-Mentalität der Deutschen, die sich bis in die Politik zieht: „Da hat man ja auch kein pures Schwarz, sondern verdünnt es mit Rot.“ Elsener ist der Schweiz gegenüber durchaus kritisch. Angelehnt an die „Sendung mit der Maus“ streut er kleine Erklärstücke in seinen Auftritt. Da beschreibt er, wie die Schweiz kein Problem damit hat, zwei Kriegsparteien gleichzeitig zu finanzieren. Oder er erklärt anhand eines achtgeschossigen Hochhauses, wie die EU funktioniert und welcher Staat in diesem Modell in welcher Etage angesiedelt ist. Das ist schnell, abwechslungsreich und bisweilen bitterböse.
Elsener schlüpft in andere Rollen, spielt seinen Schweizer Großvater, der ihn vor Auftritten in Deutschland warnt. Man sieht, dass Vorurteile auch im westlichen Europa noch eine große Rolle spielen können. Die Figur des Roebbi dagegen hat einen Hang zum Absurden. Schriftsteller will der schüchterne junge Mann werden und macht sich Gedanken über neue Kreuzungen: „Wenn man einen Atheisten mit einem Zeugen Jehovas kreuzt, kommt jemand dabei heraus, der sinnlos an einer Tür klingelt.“
Michael Elsener, ebenfalls Jahrgang 1985 und in der Schweiz schon „weltberühmt“, ist in seinem Programm schnell und abwechslungsreich. Das große Ganze hat er stets im Blick, wenn er seine überraschenden Einsichten präsentiert. Oder hätten Sie gewusst, dass die bisweilen negativ-trübe Haltung der Deutschen von der deutschen Weltliteratur herrührt? Thomas Manns „Tod in Venedig“ oder Goethes für den Helden tödlich ausgehender Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ stützen diese These! Sehr freundlicher Applaus für Michael Elsener.
Für Michi Marchner sind auf der Bühne ein Flügel und eine akustische Gitarre aufgebaut. Marchner, der seit der Gründung 1987 als Frontmann im Münchener Kabarett-Musik-Duo „Les Derhosn“ spielt, zeigt Ausschnitte aus seinem Programm „Die Besten sterben jung – Neues vom Überleben“. „Das Haar wird dünn, das Haar wird weiß // Hurra, ich bin ein Midlife-Greis!“, reimt Marchner und zeigt, dass er keine Probleme damit hat, den Altersdurchschnitt der Künstler des ersten Wettbewerbstages deutlich zu heben.

„Die Besten sterben jung – Neues vom Überleben“
Kurze und knackige Nonsenslieder und Nonsensgedichte bestimmen weite Teile des Programms. Er dichtet über „Den Camper“, dem ein Anhalter die Frau ausspannt. Er singt über erfolgreiche Künstler, die in frühen Lebensjahren gestorben sind. Das klingt aber nicht traurig, sondern nach Lebensfreude. „Die Besten sterben jung“ heißt der Song, in dem sich Marchner augenzwinkernd ins Mittelmaß degradiert. Dort aber ist er völlig falsch aufgehoben, denn seine Spielfreude und sein lausbubenhafter Charme machen großen Eindruck auf das Publikum.
Er sinniert über die technische Entwicklung der Welt und kommt dabei zu dem Schluss: „Es gibt viel mehr Wissen als Intelligenz!“ Darüber lohnt es sich, einen Atemzug lang nachzudenken. Marchner aber will seine traumatischen Kindheitserlebnisse im Reihen-Mittelhaus auf dem Land verarbeiten, wo es nichts als Landschaft gab. „Die Welt ist voller Käffer“ heißt das Lied, das eine ganze Reihe deutscher Provinzen streift. Marchner stellt fest, dass es woanders auch nicht besser ist, denn „Wo ich lebe, da ist wenigstens ein REWE.“
Manchmal gleitet er ein paar Zeilen lang in tiefen Dialekt ab, des Reimes oder des Witzes wegen. Im Lied „Der Flaucher“ zum Beispiel, das von einem Isar-Bereich in München handelt, in dem das Nacktsein erlaubt ist. Über die Liebe weiß Marchner zu berichten, dass sie „wissenschaftlich gesehen nichts weiter als eine geistige Nierenkolik ist.“ Selbstverständlich folgt ein trauriges Liebeslied, aber bis zum romantischen Liebeslied dauert es nicht lang. Das widmet er einem Paar im Publikum, das sich seit fast fünfzig Jahren liebt!
Es fasziniert, wie Marchner auf das Publikum eingeht. Deftig wird er, wenn er über den in dieser Saison bei Frauen angesagten Männertyp spricht. Gallig, wenn er über das gar nicht so lustige Künstlerleben singt und sich nach dem Leben eines Büromenschen sehnt. Michi Marchners souveräne Leichtigkeit begeistert und führt beim Publikum zu rhythmischem Klatschen. So gehört sich das auch für den ersten heißen Pfannenkandidaten in diesem Wettbewerb.
Fotos: Rainer Hagedorn
© 2014 BonMot-Berlin
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