Jurypreis für Torsten Sträter, Publikumspreis für Ole Lehmann, Ehrenpreis für Bastian Pastewka, Berlinpreis für Eckart von Hirschhausen
von Beate Moeller
… am Ende des Berichts findet ihr eine lustige Bildersammlung …
BERLIN – Was für ein Marathon! Vier Stunden Kleinkunst, 20 Künstler auf der Bühne, davon vier frisch gekürte Preisträger 2014, zwei Vorjahrespreisträger und sageundschreibe: eine Frau. Das Theater der Wühlmäuse bis auf den letzten Platz besetzt, gleichzeitig Live-Übertragung im RBB mit Voting der Fernsehzuschauer.

Ein Kleinkunstwahnsinn, der nicht zu toppen ist
Im Kern geht es darum, aus fünf vorausgewählten Wettbewerbern zwei Preisträger zu ermitteln, einen durch eine Jury, den anderen per Abstimmung des Publikums im Saal und zu Hause vor dem Fernseher. Wer den Ehrenpreis erhält und wer den Berlinpreis – ebenfalls in Form einer Wühlmaus – wird vorher bestimmt.
Wollmütze, Dreitagebart und ausgebeulte Jeans sind seine Markenzeichen. Torsten Sträter, dieser rustikale Typ aus dem Ruhrpott schreibt Geschichten und liest sie vor. Und die nimmt man ihm ab. Für den Wettbewerb hat er sich „Gudrun“ ausgesucht, das Protokoll eines Interviews mit Siri, der apple-integrierten Alleswisserin. Die auf jede Frage eine Antwort hat und ihm virtuell schönsten Sonnenschein verspricht. Draußen steht er dann im Regen. Im zweiten Teil gibt er Einblicke in sein Depressionstagebuch, nimmt die Markennamen von Antidepressiva auseinander und zerpflückt den Text vom Beipackzettel. Absurd wird’s, wenn als mögliche Nebenwirkung Depressionen prognostiziert werden. Wie soll der niedergeschlagene Mensch da noch unterscheiden, ob die Hauptwirkung noch nicht oder die Nebenwirkung schon eingetreten ist? Sträters Wirkung auf die fünfköpfige Experten-Jury war jedenfalls eindeutig: Sie hat ihm den Jurypreis 2014 verschrieben.
Trotz Hamburger Migrationshintergrund geht Ole Lehmann der ostberliner Proletenslang leicht von den Lippen. Er hatte ja auch zehn Jahre Zeit zum Üben. Und demonstriert das am Beispiel der Bestellung von drei „Berlinern“ in einer Berliner Bäckerei. Sehr witzig, den Berlinern zu eröffnen, dass die Pfannkuchen in Berlin „Pfannkuchen“ heißen. Wer hätte das gedacht?
Warum finden Heteros das eigentlich komisch, wenn Schwule so rumtunten? „Versuchen Sie es doch einfach selbst mal!“, empfiehlt der 1,93-(Leh)-Mann und demonstriert übertrieben typische Posen. Mit dem Popo muss man wackeln, das Handgelenk einknicken und mit der Hand wedeln und immer schön mit erhöhter Stimme durch die Nase sprechen! Sehr schnell würde man merken, wie viel Spaß das macht, vor allem, wenn so ein richtiger Hardcore-Hetero so morgens bei der Arbeit erscheint – zum Beispiel auf einer Baustelle. Ein voller Lacherfolg! Vermutlich haben etliche Homo- und Hetero-Zuschauer der RBB-Live-Übertragung das gleich zu Hause ausprobiert, denn zusammen mit den Theaterbesuchern bei den Wühlmäusen haben sie für Ole Lehmann gestimmt. Am Ende dieses langen Abends erhält er den Publikumspreis 2014 – ein richtig süßes Mäuschen.
Als dritter Teilnehmer hat sich Martin Zingsheim dem Wettbewerb gestellt. Landet gleich den ersten Volltreffer mit einem Miniaturlied am E-Piano, das nur einen sehr kurzen Text hat: „Was heißt hier postmodern? Das Bild sieht scheiße aus.“ Liefert eine ganze Geschichte ab, die nur aus gebräuchlichen Redewendungen besteht, in denen Tiere vorkommen, wie „einen Bären aufbinden“ oder „mach die Fliege“, und die trotz durchschaubarer Konstruiertheit einen Sinn ergibt. Eine sprachliche Stilübung, die ebenso wie der Song vom Mittelaltermarkt mit extra Geigenbegleitung wohl etwas zu anspruchsvoll war für diese eher auf Komik und Krawall gebürstete Veranstaltung. Der Musikkabarettist aus Köln ist in diesem und in den vergangenen Jahren mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Diesmal ging er leer aus.
Oliver Hardy’s Komik hat nicht allein aus Speck bestanden. Chris Tall kann prima Grimassen schneiden. Ein Gesicht fürs Fernsehen, überhaupt eine bildschirmfüllende Erscheinung. Ulkig und relativ harmlos sind die Geschichten, die der 23-jährige Hamburger Comedian zum Besten gibt. Anekdoten über die Familie und seine fürchterliche Schulzeit, enden allerdings gerne mal mit einer Kracherpointe – wie beispielsweise dieser: Da fragt seine Schwester die Mutter „Wie ist das eigentlich, die schönste und klügste Tochter zu haben?“ Und Mama antwortet: „Keine Ahnung – musst du Oma fragen.“
Um Krach in der türkischen Familie geht es bei Jilet Ayse. ( „Jilet“ bitte etwas schärfer aussprechen als die Rasierklingenmarke Gilette.) Jilet Ayse hat eine Wut im Bauch. „Isch bin so sauer!“ Auf halsbrecherischen High Heels in Pink macht sie ihrem Ärger am Bühnenrand Luft: „Deutschland, wir müssen reden!“ fuchtelt sie lautstark. Aber keiner will was von ihren Problemen wissen, und „Angie Merkel chillt in Bundestag.“ Sie hat sich ihre eigene verquere Gedankenwelt zusammengebastelt, in der Erfahrungen Klischees nur bestätigen. „Kanackenkinder sind anstrengend.“ Das ist politisch nicht korrekt, logo, dafür aber sehr nah an der Wirklichkeit, deshalb manchmal auch gar nicht so witzig. „Warum erzieht ihr eure Kinder für Frieden? Hast du noch nie Nachrichten geguckt?“
Idil Baydar muss den Jugendlichen in Kreuzberg und Neukölln schon sehr gut zugehört haben, sonst hätte sie ihrer Figur Jilet Ayse nicht einen solchen Text in den Mund legen können. Leider ist diese trotzige Rotzgöre von manch einem als eine türkische Variante von Cindy aus Marzahn missverstanden worden. Dabei spricht aus ihr doch viel mehr echte Empörung als bloße Provokation. „Isch schwöre!“.
Allein schon diese fünf Wettbewerbsteilnehmer hätten mit ihren jeweils zwei Auftritten eine Mixed Show prall füllen können. Hätten. Aber beim Großen Kleinkunstfestival in den Wühlmäusen 2014 wird der sprichwörtliche Berliner Größenwahn in die Tat umgesetzt. Schließlich gibt es ja noch die Preisträger vom vergangenen Jahr.
Der Liedermacher Michael Krebs hatte 2013 den Publikumspreis erhalten. Zu „To Go“ begleitet er sich selbst am Klavier. Ein Song über Leistungs-Stress und Wellness-Wahn als zwangsläufiger Folge. Köstlich, wie er den Refrain zunächst in normalem Tempo danach in Zeitlupe und in Zeitraffer spielt und singt: „Für immer mehr brauchen wir immer weniger Zeit“. Der Faktor Zeit geht naturgemäß auch „Dem Tod“ erheblich auf den Wecker. Er hat dasselbe Problem wie Florian Silbereisen, ihm stirbt das Publikum weg. Bei seinen makabren Sprüchen kommt wie immer Heiterkeit auf. Mit den Worten „Wir können mit dem ‚Tod‘ gut leben“ hatte ihm im vergangenen Jahr Klaus Wowereit als Jury-Vorsitzender die Preismaus überreicht. Aber nach dem Tod ist noch lange nicht Schluss. Schließlich gibt es ja noch andere Künstler in Berlin.
Die Auftritte der Wettbewerbsteilnehmer und Gäste wechseln sich munter ab, was dem Abend auf angenehme Art die Kampfatmosphäre nimmt. Was wäre eine Show aus Berlin ohne ihn, Kurt Krömer – zumal, wenn sie gleichzeitig im Fernsehen übertragen wird? Nüscht, jenau! Der Brachialkomiker aus der Herrenkonfektionsabteilung nutzt kackfrech die Gelegenheit, gegen den RBB anzustänkern, der sich mit eben dieser Show, deren Gast er, Kodderschnauze Krömer, just im Moment ist, doch nur versuche, dem Privatfernsehen anzunähern. Offenbar seine ganz persönliche Methode, Werbung zu machen für die „Krömer Late Night Show“, die ab Anfang Oktober in der ARD läuft.
Der angekündigte Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit liefert Horst Evers den Aufhänger für seine abstruse Geschichte, die er zu später Stunde nicht vorliest, sondern lieber erzählt. In Berlin habe sich bereits eine neue Redensart eingebürgert: „Der freut sich wie Wowereit beim Rücktritt.“ Von dort aus kriegt er leicht die Kurve zum Flughafen BER, für dessen Probleme bei der Fertigstellung der Autor als tendenziell unbegabter Handwerker großes Verständnis aufbringen kann. Schade nur, dass man jetzt sogar versäumt habe, das Zweijährige der Nichteröffnung zu feiern! Horst Evers trifft mit seinen verrückten Phantasien den Geschmack des Publikums genauso wie den Nerv der Zeit, was jedoch noch lange nicht bedeutet, dass ein Ende der Show in Sicht gewesen wäre. Schließlich gibt es ja noch Künstler aus dem Rest der Welt, die extra nach Berlin gereist sind zum Großen Kleinkunstfestival der Wühlmäuse.
Allen voran Dieter Nuhr, der diese XXXL-Show moderiert hat. Gefolgt von Gernot Hassknecht, dem Giftzwerg aus der heute show, der das Publikum mit einem Crash-Kurs zu Profi-Cholerikern ausbildet. Tobias Mann verbindet Kabarett und Comedy zu seinem eigenen flotten Stil. Angela Merkel kommt ihm vor wie die „Lucky Strike aus der Uckermark“ und erinnert ihn überhaupt an eine Zigarette: „Du weißt, sie ist nicht gut für dich, aber sie beruhigt ungemein.“
Eine groteske Nummer hat Marco Rima aus der Schweiz mitgebracht. In der Rolle eines Wissenschaftlers von der Pharmafirma La Réchaud (sic!) hält er einen wohl formulierten Vortrag über die Nebenwirkungsfreiheit der Medikamente seines Arbeitgebers. Währenddessen beutelt es ihn in mancherlei Hinsicht so heftig, dass das Publikum seine helle Freude an dieser großartigen Clownerie hat.
Ohne Worte kommen die beiden „Men In Coats“ aus London aus. Die Zugriffe auf ihre Slapstick-Videos bei YouTube werden in Millionen gezählt. Wunderbar, dass wir diesen hemmungslosen Blödsinn, der nebenbei bemerkt auch sauber gezaubert ist, live erleben durften.
Auf der Zielgeraden dieses hochkarätig besetzten Kleinkunstmarathons bei den Berliner Wühlmäusen zeichnet Hausherr Didi Hallervorden die beiden vor der Veranstaltung ausgewählten Preisträger aus. Eckart von Hirschhausen bedankt sich mit ein paar Zaubertricks für den Berlinpreis. Bastian Pastewka nimmt den Ehrenpreis entgegen aus der Hand seines Vorbilds in Sachen Komik, wie er sichtlich gerührt erzählt. Der Film „Didi und die Rache der Enterbten“ war für ihn so etwas wie eine Initialzündung. Gleich zwei Mal hat er sich ihn als 13-Jähriger im Kino angesehen.

Bastian Pastewka, Torsten Sträter, Ole Lehmann und Eckart von Hirschhausen
Es mag ein Zugeständnis ans Fernsehen sein, dass – betrachtet man einmal die Bandbreite der Spielformen, die unter der großen Überschrift Kleinkunst möglich ist – die Auswahl recht comedylastig geraten ist, auch, was den Wettbewerb betrifft. Wenig verständlich dagegen, dass nur eine einzige Künstlerin aufgetreten ist. Das Angebot ist doch üppig genug. Vielleicht ändert sich das ja beim nächsten Mal. Schließlich steht das Große Kleinkunstfestival 2015 schon bei Didi Hallervorden im Kalender. Torsten Sträter als Jurypreisträger 2014 und Ole Lehmann als Publikumspreisträger 2014 werden auf jeden Fall dabei sein.
Jetzt folgt eine Tonne Infos und Links:
Idil Baydar/ Jilet Ayse, Heidrun Buchmaier/ hb-management, Susanne Buhr/ Agentur Susanne Buhr, Horst Evers, Dieter Hallervorden, Johannes Hallervorden, Björn Harwarth/ Kulturlotse, Hans Joachim Heist/ Gernot Hassknecht, Eckart von Hirschhausen, Verena Krämer/kulturkraemer und Mr. & Mrs. Hochzeitsplaner, Kurt Krömer, Ole Lehmann, Tobias Mann, Men in Coats, Beate Moeller/ BonMoT-Berlin, Dieter Nuhr, Christian Oberfuchshuber, Bastian Pastewka, Marco Rima, Marianne Rogler/ Agentur Marianne Rogler, Birgit Söll/ Künsleragentur Birgit Söll, Torsten Sträter, Chris Tall, Bianka Thielcke, Marion Wächter/ Agentur Marion Wächter, Michael Zeiss/ z-management, Martin Zingsheim
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Hier ist nun die ‚Picture Show‘ zur Veranstaltung mit Party danach – viel Spaß!
… mit Untertiteln – einfach ein Bild anklicken …
Fotos und Collagen: Carlo Wanka
© 2014 BonMoT-Berlin
Hat dies auf MITMEINENSINNEN rebloggt und kommentierte:
Man, war das viel arbeit … aber ich bin zufrieden!
Hat dies auf Die Erste Eslarner Zeitung – Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region! rebloggt und kommentierte:
Aktuelle keine berichtenswerten Informationen aus Eslarn und der Umgebung.