Sebastian Schnoy: „Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt.“
von Carlo Wanka
Warum wir Geschichte in der Schule nie so gerne wollten, läge an den Zahlen und Kriegen. Mit dieser Überzeugung eröffnet der Hamburger Kabarettist und Buchautor Sebastian Schnoy sein Programm.
„333“ wirft er in das fast ausverkaufte BKA-Theater, rechts antworten Mehrere prompt: „Bei Issos Keilerei!“
Herr Schnoy begrüßt die Wissenden. Die Unwissenden dürfen dieser Begabtenecke nun applaudieren. Er fragt nicht nach dem geschichtlichen Großereignis. Nett von ihm.
Auf der Bühne ein sympathisches, überschaubares Arrangement. Ein kleiner Holztisch mit Weinglas, Kerzenständer, zwei Büchern und CD links vom Zuschauer, noch weiter links, fast in der Mitte ein alufarbener Rollkoffer. Weiter rüber dann das Hauptutensil, ein Napoleon-Hut auf ein Stativ gespießt. Ein einfacher brauner, hölzerner Barhocker außen rechts schließt mit dem schweren meist rot beleuchtetem Stoffhintergrund das Bühnenbild ab. Dazwischen hüpft, schreitet, steht und gestikuliert Sebastian Schnoy.
Er liebt zu provozieren, stellt Fangfragen und freut sich wie ein kleines Kind, welches sich den Arm ausrenkt beim Melden: „Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was!“ Die nächste Klatschaktion ist für die unter 45 Jahren, worauf die der über 45 Jährigen kontert und deutlich reifer klingt.
Er selbst sei 45, und sie hätten kein Auto, sondern einen Ford Taunus besessen. Der habe keinen Airbag und vor allem keinen Sicherheitsgurt gehabt. Da irrt Herr Schnoy. Die Gurtpflicht wurde zwar erst 1976 eingeführt, aber die Gurte gab es seit 1961. 1974 kam dann die Einbaupflicht der Automatikgurte. Diese Art Halbwahrheiten oder gar echte falsche Aussagen zum Zweck einer Pointe zu gebrauchen, ist sein Stil, den er konsequent durch den Abend führt. Bis hin zum Berlin-Marathon, den er gesehen haben will – am Samstag schon, Herr Schnoy? Der findet erst am Sonntag statt.
Aber es geht nicht um richtig oder falsch, der Hugenottennachfahre liebt es, unkorrekt und zynisch bis bösartig zu sein. Die Geschichte wird in kleinen witzigen Geschichten verpackt, zu historischen Episoden, und am Marathonlauf ärgern ihn letztendlich nur die Läufer. An den Deutschen ist ihre Treue und Zuverlässigkeit zu bemängeln, und an Alten wäre es effektiv, wenn sie mit ihren von Gicht geplagten Körpern in Stuttgart mit Sitzblockaden demonstrieren. Man erfährt, dass Alice Schwarzer so reich sei, da sie nie BH-getragen hätte, die Hexenverbrennungen als ‘Lange Nacht der Kirchen‘ zu sehen seien und Luthers Bauernkriege der ersten Staffel ‘Bauer sucht Frau‘ gleichzusetzen wären.
Neben einigen kleinen Fauxpas, erquickt er das Publikum mit lustig konstruierten Anekdoten und aberwitzigen Handlungsvergleichen aus Urzeiten über das dunkle Mittelalter bis zur Jetztzeit. Als selbsternannter Kulturoptimist setzt er Lui Kattors* schöne Beine in Szene, bindet geschickt Fontane und Freud ein und zitiert einen Reim von Heinrich Heine.
Gutenbergs Buchdruck und Guttenbergs Abschreibe passen bei Schnoy in einen Satz, und Scrollen am Computer ist Schriftrollenlesen. Man erfährt, warum Stauffenbergs Attentat heute funktioniert hätte und dass um 1900 in Berlin ein Weckautomat, der nur bei schönem Wetter reagiert, erfunden wurde. Welches Konzert Karajan in Paris dirigierte, was Woody Allen verspürt, wenn er Wagner hört, wie sinnvoll die TV-Sperrholzkiste für Hans Rosenthal war, sind gelungene Kapriolen. Sehr schön auch das Ravel/ Wagner Hörbeispiel.
Einige nicht Fernsehen-kompatible Sprüche teilt er uns mit und erklärt auch, warum diese nicht TV-tauglich seien. Die Mentalitäten der Völker analysiert Schnoy und stellt sie zur Disposition. Er zeigt auf, dass jede Nation bis heute taugliche Dinge hervorgebracht hat. Die Römer liebt er dabei sehr, ihre Erfindungen von Fußbodenheizung, Kaminen und, und, und ihren Sinn für Mode. Er fragt die Leute vor sich, wer alles Fußbodenheizung besitze.
Die Wikinger – als wahre Entdecker Amerikas – sind für ihn echte Ruderer, keine Seglertypen, die Engländer sind wasserscheu, wie kamen die auf ihre Insel? Den Italienern könne man doch mehr vertrauen, haben sie schließlich das Bankwesen erfunden. Dazwischen serviert er kleine Sketche über schnöselige Menschen, die er in Hamburg kennt, die einem immer gleich eine ganze Kiste Whiskey oder Zigarren zukommen lassen, und wie er sich erkenntlich zeigen wollte. Oder der nervige Vegetarier, der immer etwas mit Salat verlangt und den er dann nach Schnoyscher Manier bediente. Am Rande kam auch Napoleon vor und noch andere kleine Figuren, die Großes bewirkten.
Die Zuschauer sind bei ihm, lachen und klatschen. Aber er fordert auch themenbezogenes Klatschen ab. Klatschen für den Euro, Klatschen für die DMark – Klatschen für dies, Klatschen für das. Man kann immerhin auf diese Weise eine akustische Darstellung der Neigungen der Menschen im Raum erfahren. Es ist Geschmackssache, aber das Publikum ließ sich darauf ein.
Schnoy versteht es aber auch, konspirative Gedanken zu streuen und führt einen zu nachdenklich stimmenden Erkenntnissen. Ein lustig klingender Part aus seinem zum Programm gehörenden Buch den er in der Show vorliest, sei hier zitiert:
„Man sagt, das Paradies sei da, wo die Polizisten Briten sind, die Mechaniker Deutsche, die Köche Franzosen, die Liebhaber Italiener und alles von den Schweizern organisiert wird.
Und die Hölle sei dort, wo die Köche Briten sind, die Polizisten Deutsche, die Mechaniker Franzosen, die Liebhaber Schweizer und alles von den Italienern organisiert wird.“
In Sebastian Schnoy stellt sich mir auf der Bühne ein Künstler vor, der mit seiner Bühnenfigur auf dem richtigen Weg ist und der mit etwas mehr Reife und etwas weniger Selbstgefälligkeit gepaart mit dieser gepflegten Sowohl-als-auch-Haltung, sein beachtliches Potenzial noch steigern kann. Sein jetziges Programm ist jedenfalls den Besuch wert und auf sein Neues „Von Stauffenberg bis Guttenberg – Der Adel patzt immer kurz vor Schluss!“ darf man gespannt sein.
* – wie er es ausspricht – gemeint ist der französische König Ludwig XIV, genannt „der Sonnenkönig“.
© 2014 BonMot-Berlin
Foto: Carlo Wanka
Homepage Sebastian Schnoy – Homepage BKA-Berliner Kabarett Anstalt
Hat dies auf Die Erste Eslarner Zeitung – Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region! rebloggt.