Ko(s)mische Zeitreise mit Sia Korthaus – Premierenkritik

Sia Korthaus - Foto Simin Kianmehr„Sorgen? Mache ich mir morgen!“
beim 24. Köln Comedy Festival

von Marianne Kolarik

KÖLN – Das Alter sieht man ihr nicht an: Die junge Frau auf der Bühne des Senftöpfchen-Theaters in dem grau glänzenden Strampler behauptet, 86 Lenze zu zählen. Mmmh! Das kann doch nicht wahr sein. Ist es aber.

Denn wir befinden uns im Jahr 2054, man trägt tellergroße Live-Chips, aus dem Dollar sind Drachmen geworden und Alkohol ist verboten. Bereits seit 2035. Damals hieß die Bundeskanzlerin Ursula von der Leyen. Soweit zum Einstand in die Zukunft:

„Sorgen? Mache ich mir morgen!“ heißt das Programm, mit dem Sia Korthaus das Publikum – zu Recht – begeistert. Und es beweist einmal mehr, dass es sich lohnt, gute Leute um sich zu scharen.

Mit Thilo Seibel als Autor und Thomas Köller als Regisseur hat die Kabarettistin ins Schwarze getroffen: zwei kluge Köpfe, die die spielerischen Talente der Kabarettistin zum Vorschein bringen. Allein die Idee, einen außerirdischen Zeit-Taxifahrer in Form einer Handpuppe auf die Bühne zu holen, auf der eine silberne Raumfahrt-Station installiert ist, gehört zu den gelungenen Kunstgriffen, mit denen die Handlung voran- und zurück getrieben werden kann. Der – man hört es – aus Berlin kommende Typ bringt es nicht nur fertig, mühelos von einem Jahrzehnt ins nächste zu düsen, er hat auch die Schnauze auf dem rechten Fleck.

Da erfährt man, dass Google 2019 die Europäische Zentralbank aufgekauft hat, Europa extrem arm wurde, die Anzahl der Bevölkerung dramatisch gesunken ist und aus Amerika die United States of Amazon geworden sind. Deutschland steht auf dem zweiten Platz im Lichtreisestrahl, SPD-Wähler leben in Reservaten, nur noch im Ruhrgebiet gibt es traditionellen Geschlechtsverkehr und Autos werden mittels Flatulenzen betrieben. Der kecke Taxifahrer bringt seine Chefin zwischendrin zurück ins Jahr 2014, also in eine Zeit, in der die ersten Google-Brillen entstanden (sie werden sich nicht durchsetzen) und noch vieles erlaubt war, was Spaß machte.

Mit darstellerischer Verve switcht Korthaus durchs Universum von gestern, heute und übermorgen, deckt Konstanten auf („Helmut Schmidt lebt noch“, „was sich nie ändern wird: schnarchende Männer“), macht moderne Fahrzeuge für den Geburtenrückgang verantwortlich und erklärt, was es anno dazumal mit einem Verlobten auf sich hatte („das ist, wie wenn man ein Fahrrad geschenkt bekommt und nicht damit fahren darf – nur klingeln“). Ein Abend, in dessen Verlauf die Gehirne der Zuschauer eine beträchtliche Auswölbung erfahren und die Endorphin-Ausschüttung Höchstwerte erreicht.

© 2014 BonMoT-Berlin
Foto: Simin Kianmehr

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