Publikum jubelt für Nessi Tausendschön, Sarah Bosetti, Susanne Betancor und Simone Solga
Die „Ladies Night“ beim 24. Köln Comedy Festival
von Marianne Kolarik
KÖLN – Im Fachjargon nenne man sie Gästinnen, gibt Nessi Tausendschön dem Publikum der „Ladies Night“ in der Comedia zu verstehen. Und zückt ihr Tablet, um das Auditorium abzulichten – zur Erinnerung an den mit ganz unterschiedlichen Künstlerinnen bestückten Abend.
Als da wäre die Lesebühnenautorin Sarah Bosetti: eine Entdeckung, zumindest im Kölner Raum. Um sich noch steigern zu können, liest sie zunächst
einen „durchschnittlichen Text“, der den Titel „Der Durchschnitt aller Dinge“ trägt und damit beginnt, dass ein Mann von Lekker Strom bei ihr an der Tür klingelt und ihr mitteilt, dass sie eine überdurchschnittlich hohe Stromrechnung bezahle.
Zwischen den beiden entwickelt sich ein Gespräch, bei dem die Absurdität der Situation nur von der Kuriosität des Typs übertroffen wird, der überdies als Zeuge Jehovas unterwegs ist. Oder es geht um Ulf, der ihr ein Kind machen will, das keinesfalls Diktator werden soll. Die Argumente, mit der die Autorin („Wenn ich eine Frau wäre“) den Kinderwunsch abschlägig bescheidet, entbehren weder der Tragik noch der Komik. Kurz: Bosetti besitzt einen knochentrockenen bis rabenschwarzen Humor, mit dem sie psychologisch unterfütterte Tiefenbohrungen vornimmt.
Einen wesentlich anderen Zauber verströmt Susanne Betancor, besser bekannt als Popette, die sich gerne mal einen Schnurrbart anklebt – an diesem Abend als virtuelle Travestie („das greift“). Sobald sie die Bühne betritt und sich an den Flügel setzt, wird das Theater zu einem Ort, in dem Feen und andere unsichtbare Wesen ihren Schabernack mit der Phantasie der Zuhörer zu treiben scheinen.
Weil nicht jeder Sitzfleisch besitze – schon gar nicht in groben Zügen – widmet sie dem sitz-unfähigen Udo ein Lied. Oder sie singt von Frau von der Leyen, die Pralinen von Lindt liebt, sie im Traum küsst und ihr ein Ohr leiht. Popettes Markenzeichen ist ein ganz eigenes, von Improvisationen lebendes, zwischen verschiedenen Musikstilen und poetischen Texten changierendes Genre: traumhaft im wahrsten Sinn des Wortes.
Auf dem Boden der politischen Tatsachen bleibt dagegen Simone Solga: Sie kann sich wunderbar aufregen. Der Rundumschlag, mit dem sie ihrem Unmut Luft macht, gilt so ziemlich allen Zumutungen, mit denen man täglich konfrontiert wird. Sei es die Bahn, Steuerverschwendung, Sozialdemokraten und Grüne, Manuela Schwesig und Andrea Nahles, oder Joachim Gauck („das größte Reiterstandbild ohne Pferd“), der am 9. November garantiert eine Rede halten werde, an deren Ende man mindestens zwei Promille intus habe, so man Solgas Rat befolgt und jedes Mal, wenn das Wort Freiheit fällt, einen kleinen Feigling zu sich nimmt. Außerdem wettert sie über Menschen in Funktionsjacken („die Menopause als Anorak“) – und trifft damit hörbar den Nerv der Zeit: jubelnde Zuschauer.
Frau Tausendschön, die den Abend leichthändig moderiert und – am Flügel begleitet von Marcus Schinkel – mit schönen alten Nummern wie der Stummfilm-Darbietung „Die schwarze Hand am Sack des Grafen“ anreichert, versetzt den Saal – wie angekündigt – mit lasziver Kuschelrock-Akrobatik in Ekstase. Und ist damit die dritte Komödiantin, die im Laufe des Comedy Festivals auf dem Boden landet. Allerdings nicht heulend, sondern hechelnd.
© 2014 BonMoT-Berlin
Fotos: Harald Hoffmann | Christine Fenzl | PR Homepages
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