Team & Struppi mit ihrem zweiten Programm „Der Fall Weiss“
von Gilles Chevalier
BERLIN – Frische und Tabulosigkeit zeichnen das Programm „Der Fall Weiss“ aus. Team & Struppi fegen alle Konventionen von der Bühne des Distel-Studios und manövrieren ihre Figuren bisweilen in die äußerste rechte Ecke.
Erstaunlich, mit welch einfachen Ideen sie dann wieder den Weg zurück finden. „Die Machtergreifung“ hieß ihr erstes Programm, konsequent trägt das zweite den Titel „Der Fall Weiss“ – unter diesem Codenamen hat das Oberkommando des Heeres im Dritten Reich den Polenfeldzug 1939 geplant.
Moritz Neumeier zeigt auf der Bühne so etwas wie den „Deutschen Gruß“ und schlägt vor, alle sollten für zwei Wochen auf diese Art grüßen. Der erhobene rechte Arm soll aber keine Gesinnung demonstrieren, sondern nur Alltag werden: Damit der Herr Neonazi von nebenan auf diese Art nicht mehr provozieren kann! Selbst Neonazi zu werden, ist ihm zu anstrengend: „Da muss man ja erst alle kennenlernen, die man hassen soll!“
„Der Fall Weiss“ ist gepflegtes Stand-up-Kabarett mit vielen Fragen. Was gibt dir Halt im Leben, ist so eine davon. Für Moritz Neumeier ist die Sache klar: Er ist verheiratet und seit wenigen Wochen Vater. Für ihn sind es Frau und Kind. In diesem Punkt ist er abgeklärt: „Ich habe geheiratet, um keine Frauen mehr kennenlernen zu müssen.“ Sein Bühnenpartner Jasper Diedrichsen antwortet: „Ich trinke relativ viel“, ansonsten lässt er sich durchs Leben treiben.
Es gibt keine klaren Rollen: Im Provozieren und Moderieren wechseln sich die beiden ab, während sie die ganze Zeit gemeinsam im Licht stehen. Beide stammen aus Schleswig-Holstein, einem Bundesland, über das sie kräftig herziehen. „Wir haben wenig Jesus und viel Fisch“, erklären sie die schwache Bindung zum Christentum. Da ist Jasper Diedrichsens Idee, den Norden vom Rest der Republik abzuspalten, schnell zur Hand. Aber nur Schleswig-Holstein, ohne Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, da sind sie sich einig! Für sie beginnt unterhalb der Elbe schon Bayern, und „Bayern ist das Schlimmste, was der deutschen Außenwirkung jemals passiert ist!“
Team & Struppis Ideen sind hanebüchen und werden trotzdem bis zu Ende gedacht. Zum Beispiel der Ansatz, es gebe nicht zu wenig Ressourcen, sondern nur zu viele Menschen. Die Überflüssigen könne man ja ins Lager sperren. Oder die Unwichtigen. Diese Idee, die bereits im ersten Programm „Die Machtergreifung“ vorgestellt wurde, scheitert an der Definition der Unwichtigen und Überflüssigen. Diedrichsen kann nicht über jeden Vorschlag Neumeiers lachen, vieles ist ihm zu radikal. Er will klare Regeln darüber, was lustig ist. Und eigentlich möchte er nicht so viel provozieren, sondern lieber einen Kabarettpreis! (vgl. Deutscher Kleinkunstpreis 2013, vgl. Sankt Ingberter Pfanne 2012)
Das ist die andere Frage im „Fall Weiss“: Was darf man auf der Bühne? Oder anders: Welche Meinung darf man haben? „Du darfst in Deutschland jede Meinung haben. Außer die, die ist zu radikal“, sagt Diedrichsen einmal. Antworten geben Team & Struppi nicht, sie machen einfach und pflegen einen herzlichen Rassismus gegen Kleinwüchsige und Andersgläubige – eigentlich gegen alle! Schnell wird klar, wie extreme Meinungen extrem isolieren.
Team & Struppi sind Experten für Fragen. Dass Politiker lügen, sagen sie, sei bekannt und nichts Neues. Woher kommt dann die ewige Hoffnung, nach der nächsten Wahl werde alles besser? „Eigentlich versteht niemand irgendwas“, sagt Jasper Diedrichsen. „Auch die Kabarettisten, die nicht mal fertig studiert haben und schlecht sitzende Anzüge tragen, nicht!“ Ein Seitenhieb auf vollbärtige, Klavier spielende und in diesem Jahr in den Ruhestand getretene Bühnenkollegen. Nicht nett, aber auch nicht grundfalsch. So, wie der ganze Abend.
© 2014 BonMot-Berlin
Foto: © BonMot-Berlin
„Der Fall Weiss“ hatte am 1. Oktober 2014 im Hamburger Polittbüro Premiere.
Team & Struppi spielen zurzeit auch noch ihr erstes Programm „Die Machtergreifung“.
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Team & Struppi im Liveundlustig-Interview
Hat dies auf Die Erste Eslarner Zeitung – Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region! rebloggt.