Han’s Klaffl: „Restlaufzeit – Unterrichten bis der Denkmalschutz kommt“
von Gilles Chevalier
BERLIN – Han’s Klaffl hat im Berliner Mehringhoftheater den zweiten Teil seiner Pädagogen-Trilogie gespielt. „Restlaufzeit – Unterrichten bis der Denkmalschutz kommt“ heißt das amüsante Programm, das aus Lehrersicht einen Blick auf den schulischen Alltag wirft. Angereichert mit musikalischen Einlagen am Kontrabass und am Keyboard lässt Klaffl das Publikum einen Blick hinter die Schulmauern werfen.
Er unterrichtet immer noch am Lukas-Podolski-Gymnasium, das irgendwo im Bayerischen verortet ist. Viel hat sich seit dem ersten Teil der Trilogie nicht geändert. Das pädagogische Personal und die Schüler sind im Großen und Ganzen dieselben: Da ist Herr Sedlmeier. Er ist schon lange im Schuldienst und entsprechend desillusioniert und abgeklärt. Sedlmaier ist ein echter Hammer-Pädagoge – scheut er doch die Unterrichtsvorbereitung und beginnt nach dem Klingeln mit den Worten: „Ja, was hamma letzte Stunde gemacht?“ Oder Herr Gregorius, der Alt-Philologe, der in Sprache und Wesen ausgesprochen altmodisch wirkt.
Nicht zu vergessen der Herr Gütlich. Immer verständnisvoll, immer nachsichtig, aber eben auch immer überfordert. Das zeigt sich besonders beim Einsatz mediendidaktischer Neuheiten im Unterricht. Den Overhead-Projektor kann Gütlich nach mehreren Versuchen gerade noch richtig einsetzen, aber bei Powerpoint muss er kapitulieren. Auch Klaffl kennt die Gefahren dieses Programms: „Powerpoint in den Händen eines Fanatikers ist LSD für arme Leute!“ Denn: „Da kann man beschleunigen, bis der Schulpsychologe kommt.“
Wenn Herr Gütlich an der Technik zu scheitern droht, kann er sich seit kurzem an den Hausmeister Grantinger wenden. Der war früher Panzerfahrer und hat jetzt nicht nur die Technik, sondern auch die Schüler und vor allem die Lehrer im Griff. Han’s Klaffl schlüpft immer wieder in die unterschiedlichen Lehrertypen, um die Extrema aktueller Pädagogik zu zeigen. Insider des Schulbetriebs bestätigen: „Jedes Wort ist treffend!“ und erkennen sich und ihren Alltag wieder.
Pfiffig zieht Han’s Klaffl Parallelen zwischen dem Wandertag der Schüler und dem Personalausflug der Lehrer. Augenzwinkernd führt er die Ausflüge auf das Alte Testament zurück. So soll es im Buch Exodus heißen: „Und sie trugen seltsame Gewänder und irrten durch die Landschaft ohne Plan.“ Die beiden außerschulischen Veranstaltungen sind in ihren Auswüchsen nahezu identisch – weil Lehrer auch mal Schüler waren oder weil sich die Strukturen innerhalb einer Gruppe stets ähneln? Auch hier zeigt Klaffl seinen ganz besonderen Charme. Wirklich böse wird er in seinem Programm nie. Er steht als aufmerksamer Beobachter daneben und wundert sich.
Den Jahreskreis des Schulbetriebs will er öffentlich machen. Das Zeugnisse-Schreiben ist für ihn eine regelmäßig wiederkehrende Qual. Die Wahrheit darf in einem Zeugnis nicht ungeschönt auftauchen. „Von dem, was ihr Bub nicht kann, könnten locker noch drei weitere Schüler durchfallen“, geht gar nicht. Stattdessen muss von großem Potential die Rede sein, das noch ausgeschöpft werden kann. „Zeugnisch“ nennt er diese euphemistischen Formulierungen und hat auch gleich ein Buch darüber geschrieben.
Auch der jährliche Feueralarm, der durch den Chemielehrer Gmeinwieser mit brennendem Phosphor lebensecht gestaltet wird, gehört in den Jahreskreis. Leider ist der Feueralarm in diesem Jahr etwas aus dem Ruder gelaufen. Genauso wie die von Lehrer Gütlich gestaltete Lesenacht. Geschickt zieht Klaffl hier einen größeren Bogen und klärt die Ereignisse nach der Pause auf überraschende Weise auf.
Politisch wird das Programm, wenn es um Schulpolitik geht. Vielen Lehrern spricht Klaffl aus der Seele, wenn er scheinheilig fragt: „Im bayerischen Kultusministerium sitzen die besten Leute – ist das hier nicht so?“ Mit Blick auf die G8-Diskussion – also die ums Abitur nach zwölf Schuljahren – ruft er aus: „Was nicht geht, muss noch ein paar Jahre lang gemacht werden, bis sich alle daran gewöhnt haben.“ Interessant findet er die Bundeswehrreform, die er gerne auf die Schule übertragen möchte. Das wären das Ende der Schulpflicht und ein Weitermachen mit 15.000 Freiwilligen. So etwas würde den Schulalltag erheblich erleichtern! Auch das Betreuungsgeld wünscht er sich für die Schule: 150,- € im Monat fürs Daheimbleiben – und das bis zum Abitur!
Im rechten Moment greift Klaffl in die Saiten seines Kontrabasses oder in die Tasten seines Keyboards. Bekannte Melodien hat er dann neu betextet. „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ wird so zu einer Hymne auf die große Pause und zur Musik von „King of the Bongo“ wird den Eselsbrücken ein Denkmal gesetzt.
Han’s Klaffls Programm ist wahrlich keine Werbung für den Lehrerberuf, sondern eine Herausforderung. Sowohl für die Bar, die an diesem Abend überraschend viel Rotwein ausgeschenkt hat, als auch für die Zuschauer. In jedem Lehrer können sie den Menschen wiedererkennen und wirklich nicht mehr behaupten, Schule sei langweilig! Das ist sie genauso wenig wie der Abend mit Han’s Klaffl.
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Foto:Ursula Zeidler
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