Eine Hommage von Franz Hohler und Erwin Grosche im Mainzer unterhaus
von Hans-Jürgen Lenhart
MAINZ – Hanns Dieter Hüsch war einer der wichtigsten Vertreter des literarischen Kabaretts, das eigentlich in seiner Verbindung mit Theater und Musik die Urform des Kabaretts darstellt. Ende des letzten Jahrhunderts stand es ein wenig im Schatten des politischen Kabaretts und inzwischen spürt auch dieses längst den Schatten von Comedy. Grund genug, zu erinnern, dass etliche stilprägende Kabarettisten gerade diesem literarischen Kabarett entstammen. Zum 90. Geburtstag Hanns Dieter Hüschs würdigten Franz Hohler und Erwin Grosche nun ihren einstigen Kollegen und Freund mit einem besonderen Programm. Die ausverkaufte Veranstaltung zeigte, dass Hüsch 15 Jahre nach seiner letzten Tour und zehn Jahre nach seinem Tod 2005 unvergessen ist.
Der Schweizer Kabarettist Franz Hohler reiste schon als Gymnasiast und früher Fan zu einem Auftritt Hüschs nach Basel und wusste danach, dass er dieser Art folgen musste. Später wurden sie Freunde und nahmen sogar eine gemeinsame CD auf. In seiner Bühnenwirkung unterschied sich Hohler stark vom rasant-eloquenten Hüsch. Umso überraschender war an diesem Abend die Wirkung, wenn man Hohler Hüschs Texte vortragen und singen hören konnte. Hier merkte man sofort, wie ähnlich ihr Schreiben und Denken war und wie sich ihre Themen manchmal kreuzten.
So beim „Liedermacher-Lied“, einer satirischen Reaktion Hüschs auf eine Kritik der Liedermacherszene in der APO-Zeit, er wäre zu unpolitisch in seinen Texten. Hüsch revanchierte sich damals damit, dass er die Affektiertheit mancher Liedermacher bezüglich ihrer selbsternannten stilistischen Trends aufs Korn nahm und dagegen setzte, er „mache halt nur Quatsch“. Hohler schloss daran seinen eigenen Klassiker an, den „Liederhörer“. Diese Satire spielt auf die Inflation von Liedermachern der damaligen Zeit an, denen das Publikum ausging, wodurch eine Sehnsucht nach dem „Wunsch-Zuhörer“ entstand, die so groß war, dass ein talentierter „Liederhörer“ plötzlich Karriere macht. In diesem Moment wurde nicht nur eine Brücke zwischen Hüsch und Hohler geschlagen, sondern auch an die Empfindlichkeit und nicht unumstrittene Position Hüschs im Kabarett erinnert.
Für Erwin Grosche gilt Ähnliches. Er ist ein Meister im Philosophieren über die kleinen Dinge des Alltags; seine Texte handeln schon mal von Nivea-Dosen und Tortengestaltung. Da passte Hüschs Text über die Kompliziertheit des Teetrinkens im Unterschied zum Kaffeetrinken zu Grosches Stil.
Hohler und Grosche sind seit langem selbst stilprägend für das literarische Kabarett und durch ihre persönliche Zusammenarbeit mit Hanns Dieter Hüsch die beste Wahl für diese Hommage gewesen. Alle drei verbindet zudem, dass sie ein Instrument auf der Bühne einsetzten (Hüsch die Heimorgel, Hohler das Cello, Grosche das Akkordeon). Auch hier ein Charakteristikum, das die Nähe des literarischen Kabaretts zum Liedermachertum zeigt. Vielleicht kommt derzeit mit der vermehrt erstarkenden Lesebühnenautorenszene eine neue Art des von Hüsch so sehr geliebten literarischen Kabaretts wieder zurück. Leute wie Tilman Birr z. B. sind Literaten, Liedermacher und Moderatoren zugleich, werden aber von außen eher als Kabarettisten bezeichnet.
Hohler und Grosche schrieben auch einen eigenen Text für diesem Abend, der gleich zu Beginn Hanns Dieter Hüsch mit in das Mainzer Unterhaus-Gewölbe holte. Ausgangspunkt war die Idee, Hüsch hätte schon mal irgendwann in den Himmel schauen dürfen und eine persönliche Führung durch den Boss dort oben genießen dürfen. Abgesehen davon, dass man da seine eigenen Figuren wie Hagenbuch treffen kann, die da ihr Eigenleben führen, ist der Himmel „auch nicht mehr das, was er mal war. Da hätte man schon vor 30 Jahren sterben müssen.“
Die beiden Kabarettisten achteten in ihrer Auswahl der Hüsch-Texte auf sehr unterschiedliche Facetten Hüschs. Da gab es Texte („Der Tag ist aus, alle kommen nach Haus“), die bezeichnenderweise wie bei Hohler und Grosche selbst ja oft für Erwachsene und Kinder gleichzeitig geeignet erscheinen. Dann das Spöttisch-Skurrile wie Hüschs Überlegungen zur Ursache zunehmender Kirchenaustritte („Kirchen sind eben immer kalt und haben kein Klo.“) und als Premiere absurde und nonsens-artige Texte, die er nach seinem Schlaganfall 2001 seinem Logopäden vortrug, um wieder sprechen zu lernen. Die Schwierigkeiten der Kommunikation thematisierte der Beobachter Hüsch nur zu gerne, etwa bezüglich der Belanglosigkeiten, die entstehen, wenn man die Situation überwinden muss, jemanden zu begegnen, der einen kennt, man selbst ihn aber nicht. Aber es blitzte in der Zugabe auch der politische Hüsch auf, dessen langjähriger Schlusstext „Das Phänomen“ die Ursache des Ausgrenzens von Menschen thematisiert: Anderssein nicht ertragen zu können. Dieser Text zeigt, dass Hüschs politische Statements weniger von Tagesaktuellem als von moralischen Überlegungen geprägt waren. So wirkte auch das Credo für die Bewegungslosigkeit von Hüschs berühmter Kunstfigur Hagenbuch politisch. Man denke nur an die provokative Sprengkraft des gezielten Nichtstuns der Gammler in den 1960ern.
Besonders stark wirkten die beiden Hüsch-Erinnerer in den spritzigen Dialogtexten wie den „Autogesprächen“ – über die Absurdität von Höflichkeitsfloskeln -, von denen es ruhig hätte noch mehr geben können. Der Abend war eine einmalige Gelegenheit, noch einmal Franz Hohler als Kabarettisten zu erleben, denn er tritt ja nicht mehr mit Programmen auf. Dem Duo Hohler-Grosche gelang es in Erinnerung zu rufen, wie erhaltenswert der Blickpunkt aufs Absurde im Alltäglichen ist, für den Hanns Dieter Hüsch Spiritus Rector war und den Hohler und Grosche zu großer Kunst entwickelten.
©2015 BonMoT-Berlin
Foto: Hans-Jürgen Lenhart | Grafik: Carlo Wanka
Links: unterhaus mainz – Franz Hohler – Erwin Grosche – World of Friends
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