Ehrenpreis für Jürgen von der Lippe
von Marianne Kolarik
BONN – Das rein weibliche „Suchtpotenzial“ hat es geschafft und beim 21. German Spaß- und Satire-Open-Wettbewerb im Bonner Pantheon den Publikumspreis „Beklatscht und ausgebuht“ gewonnen. Sebastian Nitsch wiederum erhielt den Jury-Preis „Frühreif und verdorben“. Und Jürgen von der Lippe wurde der Ehrenpreis „Reif und bekloppt“ zuteil.
Womit das Ergebnis des runderneuerten Prix Pantheon-Prozedere vor allem eines provoziert: heftigen Beifall. Dabei hatte so mancher im Vorfeld geunkt, dass die auf zehn Minuten reduzierten Auftritte der zehn Nachwuchs-Kandidaten nicht genügend Zeit böten, um sich angemessen zu präsentieren.
Dass keiner von ihnen „baden“ ging und jede(r) Einzelne eine eigenständige, in sich stimmige Performance hinlegte, war nicht zuletzt dem geschickt und stilvoll agierenden Moderator Florian Schroeder zu verdanken, der vor zehn Jahren an selber Stelle angetreten – und leer ausgegangen – war. Dass er das Metier beherrscht, mit seinen sowohl originellen als auch professionellen Anmerkungen, kurzen parodistischen Einlagen und schlagfertigen Wortscharmützeln eine entspannte Atmosphäre schafft, ließ sogar die zahlreichen herum wuselnden Kameraleute des Westdeutschen Rundfunks vergessen, die dafür sorgten, dass das Geschehen am Samstag zur besten Sendezeit live aus „Bonn, dem Berlin des Herzens“ ausgestrahlt werden konnte.
„Auszeichnungen sind wie Hämorriden, irgendwann kriegt sie jedes Arschloch“, kommentierte „Stargast“ Tobias Mann mit einem Zitat von Billy Wilder den bundesdeutschen Preisregen, der nicht versiegt, sondern immer wieder neue Trophäen gebiert. „Ich muss gewinnen, weil ich sonst gar nichts für den Muttertag habe“, so Friedemann Weise, der bei der Vorausscheidung am Freitagabend zehn Helge-Schneider-würdige Minuten auf die schrägen Bühnenbeine gestellt hatte. Ob die Fernseh-Verantwortlichen ihn zur Ordnung gerufen haben oder ob er selbst Angst vor der eigenen Courage bekommen hat, sei dahin gestellt. Fest steht lediglich: der Mann muss spielen, spielen, spielen – und wir lassen ihn dabei nicht aus den Augen.

Till Reiners wiederum, just mit dem Förderpreis des Deutschen Kabarettpreises dekoriert, kann nicht nur den Kapitalismus anhand zweier Menschen erklären, die sich einen Kuchen teilen sollen, das aber vor lauter Gier nicht hinbekommen, er weiß auch, warum man immer zwei Schuhe kaufen sollte und wie man Meinungen grundsätzlich vermeiden kann.
Sebastian Nitsch, 1977 in Berlin geboren, hat nicht nur die „Unsterblichkeitsbatzen“ erfunden, sondern ist auch so etwas wie ein Wünschelrutengänger des Wohlbefindens: „Irgendwo hier ist das Glück, geh doch mal’n Schritt zurück, bleib doch mal drei Schritte stehen. Dann kann das kleine, kurzsichtige Glück dich auch sehn“, heißt es in einem seiner schönen Lieder. Als akribischer Beobachter alltäglicher Selbsttäuschungen findet er „hinter den Mauern unserer Wahrnehmung“ bislang weitgehend unbeachtete Phänomene.
Eine Hommage auf das „Suchtpotenzial“, also die Berliner Sängerin Julia Gámez Martin und die schwäbischen Pianistin Ariane Müller, wurde an dieser Stelle bereits am 29. Oktober 2014 veröffentlicht. Mit „Ich will ’nen Bauer“ und einem Potpourri aus Musical und Theater, Jazz-Session und Heimatfilm zeigten sie zwar nur einen kleinen Ausschnitt ihres Könnens – aber genug, um das Publikum im Pantheon von den Stühlen zu reißen – sinnbildlich gesprochen. Dagegen anzustinken hatte Kai Spitzl mit seinen politisch grundierten Seitenhieben nicht die geringste Chance.

Umso näher ist Ehrenpreisträger und Humordienstleister Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp, besser bekannt als Jürgen von der Lippe, an seinen Zuhörern, die er mit Dönekes aus seinem Leben amüsiert. Zuvor hatte Hausherr Rainer Pause ihn als „Lust machenden Vorleser“ bezeichnet, seinen exquisiten Modegeschmack gelobt und ihm zugutegehalten, dass er den Sitz seines Gürtels geschickt vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen gehalten habe. Oder um es mit dem Meister zu formulieren: Was ist der Unterschied zwischen ihm und einem Schneemann? Letzteren kann man nur im Winter am A. lecken.
©2015 BonMoT-Berlin
Fotos: Harald Kirsch/ Pantheon
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