Viele kennen das vom Telefonieren. Damals. Als die Festnetztelefonschnur an einen Ort fesselte. Niemand konnte nebenbei die Spülmaschine ausräumen, Fenster putzen oder fix noch Milch und Eier kaufen.
Deshalb wurde – je nach Multitaskingfähigkeit und Grad der Langeweile – nebenbei auf Zettel oder Zeitungsränder gekritzelt. Linien, Muster, Ornamente. Blumen, Gesichter, Gewaltphantasien. So entstand, woran Psychoanalytiker ihre Freud hätten. Am Ende eines Telefonats mit Mutter konnte schon mal ein kleiner Comic fertig sein.
Dieses Malen verhalf zu Ruhe und Entspannung – Zustände, die es nicht mehr gibt, im Grunde verschwanden sie mit der Schnur am Telefon. Darum entdecken gestresste Zeitgenossen das Malbuch wieder. Genauer: das Ausmalbuch. Für Erwachsene. Im riva Verlag gibt es Varianten für Frauen („Mal deinen Traummann aus“) und Männer („Mal meine Möpse aus!“). Wen das schon wieder unter Druck setzt, der kommt vielleicht mit den Ausmal-Bestsellern von Johanna Basford runter: „Mein Zauberwald“, „Mein verzauberter Garten“, „Mein phantastischer Ozean“.
Das „manager magazin” verwies auf den Trend unter der Überschrift: „Flucht in die Farbe”. Buntstifte als Fluchthelfer. Doch sind der Kreativität Grenzen gesetzt – die Linien der vorgegebenen Motive nämlich. Ganz anders ist das bei der Flucht ins Wort, die der marixverlag vorbereitet: „Die schönsten Deutschen Gedichte. Zum kreativen Fertigreimen.“ Die ersten Zeilen sind vorgegeben, dann folgt Raum für Eigenreime. Allerdings: Wie viele hätten wohl gewusst, wie es im Original wirklich weitergeht? Man kann es sich ausmalen.
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