Helmut Schleich: „Ehrlich“
von Beate Moeller
BERLIN – Vieles, was ein gutes Kabarettprogramm haben sollte, hat „Ehrlich“ von Helmut Schleich: Der Solist spielt verschiedene Figuren. Das teilt einen langen Abend in Abschnitte auf. Gestik, Mimik und Sprechweise werden so schnell gewechselt wie die Kostüme auf offener Bühne. Dazu reicht ein Kleiderständer als Bühnenbild – neben Tisch und Stuhl. Das Minimum für die Kleinkunst.
Schauspielerisch sauber sind die Rollen gearbeitet – egal ob Heinrich von Horchen mit weißem Schal und Zylinder (der Gesangslehrer von Annodazumal: Willy Fritsch, Marika Rökk und Johannes Heesters), Franz Josef Strauß oder der Künstler selbst im großmustrigen Rosenjackett.
Herausragend das aufrichtige Geständnis der „Bestie von Dottelbach“, eines schuldlosen Massenmörders. Da werden am Anfang Erwartungen geweckt, die das Stück nicht einlöst. Denn ausgerechnet das Wichtigste, was ein gutes Kabarettprogramm haben sollte, nämlich eine Haltung, fehlt. Eine Position einzunehmen, vermeidet der Schleich Helmut. Beispielsweise hat er zum akuten Flüchtlingsthema nichts weiter als eine Zote zu bieten: „Es kamen nicht nur syrische Lehrer und Ärzte. Es kamen auch Frauenärzte aus Nordafrika.“
Auf eine überraschende Idee, einen revolutionären Gedanken oder wenigstens eine spitz formulierte Bösartigkeit wartet man einen Abend lang vergebens. Radikal, kühn oder wirklich komisch ist nichts. Bei einem Programm mit dem Titel „Ehrlich“ wäre man ja auf einiges gefasst gewesen.
90 Minuten gut gespielter, um Einverständnis heischend im Mainstream formulierter Allgemeinplätze sind noch kein Kabarett. Eine solche Rechnung geht – jedenfalls in Berlin – nicht auf. Der Herr links neben mir hat sich schon mitten in der ersten Hälfte wegen Bauchschmerzen entschuldigt. Die Dame rechts neben mir ist nach der Pause nicht zurückgekehrt. Gesehen habe ich das Programm in der Tempelhofer ufaFabrik.
Aber vermutlich gibt es hinter den Bergen ein Publikum, das schon anderthalb Stunden Schauspiel für Kabarett hält. „Das ist halt mal was anderes als die ewige Blasmusik. Weh getan hats net, aber wir können mit unserem Besuch unsere Toleranz unter Beweis stellen.“ – Ehrlich war an „Ehrlich“ jedenfalls gar nichts. Bestenfalls wars sauber kalkuliert. Schade.
©2016 BonMot-Berlin
Fotos: ©2016 Carlo Wanka | BonMot-Berlin
Websites: ufaFabrik – Helmut Schleich – World of Friends