Götz Frittrang: „Wahnvorstellung – Kabarett am Rande des Nervenzusammenbruchs“
von Gilles Chevalier
BERLIN – Der Kabarettist Götz Frittrang leistet es sich, mit zwei Programmen seinen Tourplan zu gestalten. Das ältere der beiden, „Wahnvorstellung – Kabarett am Rande des Nervenzusammenbruchs“, macht etwa ein Drittel seiner Auftritte aus. Dieser Tage zeigte er es im Berliner BKA-Theater.
Es war überraschend gut besucht – obwohl die Vorstellung bei hochsommerlichen Temperaturen stattfand. Frittrang genießt die Aufmerksamkeit des Publikums im klimatisierten Saal und redet
sich zunächst eine halbe Stunde warm. Über seine württembergische Heimatstadt Friedrichshafen am Bodensee, über seine fränkische Wahlheimat Bamberg. Und über den fränkischen Dialekt, der Logopäden oft ratlos macht: „Hatte der Mann einen mehrfachen Schlaganfall oder ist der von hier?“
Frittrang zeichnet die Lebenswege abgehalfterter Bundespolitiker nach. Der Schritt des ehemaligen Gesundheitsministers zum Versicherungskonzern oder der des ehemaligen Entwicklungshilfeministers zum Rüstungskonzern machen ihn sprachlos. Den Kritiker auch, denn er überlegt, wann so etwas zum letzten Mal ein großes Thema war.
Zeitlos hingegen die Sorgen der Mütter, die ihren Kindern ein besseres und sicheres Leben wünschen. Doch sie sind nie zufriedenzustellen. Das zeigt Frittrang in der schönen Szene, in der sich Frau Ratzinger und Frau Obama zum Kaffee treffen. Die eine jammert, ihr Sohn sei ja nur Stellvertreter und könne sich nicht weiterentwickeln. Die andere bedauert, dass ihr Sohn nach nur acht Jahren Arbeit verfassungsbedingt seinen Job verlieren wird. Ratzinger, wer war jetzt das? Und Obama – muss man sich den Namen merken? Der Kritiker trumpelt ungeduldig mit den Füßen…
Es ist nicht schlecht, wenn Frittrang das Familienkonzept für die Streitkräfte durch den Kakao zieht oder sich über den Preis einer Hellfire-Rakete aufregt. Sagenhafte 40.000 € kostet so eine Waffe, die dann einfach in ein Krankenhaus oder eine Hochzeitsgesellschaft fliegt. Stattdessen solle man lieber Marzipan oder hochwertige Pornographie abwerfen, um den Terror zu bekämpfen. Neckisch auch die Idee, dass die Kurden die deutschen Waffen nach Gebrauch zurückgeben. Einfach in den Pfandautomaten werfen und den Bon einlösen!
Man kann gut abhängen bei Götz Frittrang. Vor dem Auflachen muss man sich allerdings häufig erst der Zeit erinnern, als seine Themen das Nachrichtengeschehen bestimmten. Und richtig: Die „Wahnvorstellung“ wurde bereits Anfang 2013 im Hamburger „Schmidt Theater“ gespielt. Die Kritik eines Kollegen der „Frankfurter Rundschau“ vom Februar 2015 belegt, dass das Programm seitdem nicht wesentlich verändert worden ist.
Selbstironisch spielt Götz Frittrang auf seine Körperlichkeit an und beschreibt die Schwierigkeiten in seiner Jugend, eine passende Hose zu kaufen. Oder die Peinlichkeit, mit einer Familienpackung Toilettenpapier unter dem Arm in einer kleinen Stadt erkannt zu werden. Glücklicherweise hat der Künstler, dem man wegen seiner Leibesfülle und seiner Frisur nicht im Gegenlicht begegnen möchte, noch ein zweites Programm in petto: „Götzseidank“. Es wird sich in diesem Jahr noch Gelegenheit finden, es anzusehen.
Foto: Peter Woller
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