Johannes Kirchberg, Sandra Da Vina und Delta Q.
von Gilles Chevalier
ST. INGBERT – Zur Eröffnung des Wettbewerbs um die 31. St. Ingberter Pfanne ist Johannes Kirchberg aus Hamburg angereist. Kirchberg präsentiert Ausschnitte aus seinem Chansonkabarett „Wie früher, nur besser“. Ein „unpolitisch-korrektes Kabarett“ soll es werden, sagt er. Trotzdem lässt er sich über die merkwürdige Interpretation des miesen Wahlergebnisses durch den Parteivorsitzenden aus. Und über die geringe Wahlbeteiligung bei der Brexit-Abstimmung. Also den Künstler bloß nicht beim Wort nehmen!
Das gilt auch für Kirchbergs Genrewahl, die Chansonkabarett heißt. Die Wortbeiträge sind nämlich annähernd so lang wie die musikalischen Beiträge. Fein gedrechselt sind seine Texte in den Chansons, bei denen er sich selbst am Flügel begleitet. Nachvollziehbar, dass die Melodie dann nicht ablenken soll. „Ich dagegen bin dafür“ ist ein herrliches Stück darüber, dass es die Politik nie allen recht machen kann. Denn wenn die neue Umgehungsstraße durch den Wald geführt werden soll, prozessieren die Umweltschützer und wenn sie durch die Felder gebaut werden soll, drohen die Bauern mit Klage. Auch sein Rausschmeißer „Nur echt mit 52 Nägeln“ ist ein Hit. Hier macht er Werbung für ein fiktives Bestattungsunternehmen, indem er bekannte Werbeslogans auf einmalige Art montiert. Heftig applaudiert das Publikum.
Sandra Da Vina aus Essen hat sich dem Poetry Slam verschrieben. Aus der Sicht einer jungen Erwachsenen trägt sie ihre Texte im Programm „Hundert Meter Luftpolsterfolie“ vor. Die 27-jährige Germanistikstudentin ist tendenziell traurig, sagt sie. Und ziemlich ichbezogen: „Ich träume von einer Welt, in der es sehr viel weniger Menschen gibt. Eigentlich nur mich.“ Dann aber hätte sie keine Inspirationen mehr für ihre Geschichten, die sie mit heller und klarer Stimme vorträgt.
Geschichten vom umständlichen Weg zum ersten Kuss mit dem neuen Freund oder von dem Augenblick, in dem dieser Freund sie in ein Restaurant einlädt, um sich von ihr zu trennen. Oder von den ungünstig beleuchteten Umkleidekabinen mit den vielen Spiegeln bei H&M, wo Da Vina am liebsten Pizza bestellen möchte, um sich selbst beim Essen zuzusehen.
Sie gibt vor, diese Welt nicht mehr zu ertragen, weil sie schlecht ist: „Viele Kommentare im Netz werden mit wütenden Händen und dummen Köpfen geschrieben.“ Abwechslungsreich gestaltet sie ihren Vortrag, man braucht sich nur mittragen zu lassen. Sandra Da Vina lenkt den Zuhörer durch laute und leise Passagen, durch schnelle und langsame. Und Gott sei Dank vermeidet sie den anstrengenden Singsang in der Stimme, den manche Künstler fälschlicherweise für ein Markenzeichen des Poetry Slam halten und der bei empfindlichen Zuhörern heftige Seekrankheit auslösen kann. Das Publikum dankt mit sehr freundlichem Applaus.
Zum Abschluss des ersten Wettbewerbstages trat die A-cappella-Gruppe Delta Q. aus Berlin auf. „Wann, wenn nicht wir!“ heißt das Programm. Das klingt genauso selbstbewusst wie das Credo der Gruppe: „Wir imitieren keine Instrumente, wir sind die Instrumente.“ Auch wenn dabei die Bässe verstärkt werden und eine ganze Menge Hall dazu gemischt wird: Was sich Sebastian Hengst (Countertenor), Thorsten Engels (Tenor), Martin Lorenz (Bariton) und Thomas Weigel (Bass) vorgenommen haben, schlägt regelrecht ein.
Ihre Mischung aus Altbekanntem und Selbstgemachtem kommt großartig an. Von aufregenden Transkriptionen der ersten Zeilen der „Ode an die Freude“ in den Rap oder den Schlager bis zum Fernseh-Medley aus Titelmelodien alter und neuer Serien. Dort sind dann auch Werbemelodien wiederzuerkennen, die sich ins Hirn gefressen haben. Ob die Vier wohl größere Mengen Joghurt und Weißbier in der Garderobe haben?
Dass die Moderationen etwas gewollt erscheinen und die Choreographie bisweilen aufgesetzt fröhlich wirkt, geht unter. „Ich trug nicht immer diesen Bart“, singt Thorsten Engels. Das tut er erst, seit ihn die Leute immer wieder auf seine vermeintliche Ähnlichkeit mit Otto Waalkes ansprechen. Mutig und bewegend ihre Interpretation von „Ein Koffer spricht“. Ohne viel Schnickschnack singen sie aus der Perspektive eines Koffers, der geplündert auf dem Kasernenhof steht. Der Koffer sorgt sich um seinen alten, blinden Herrn – der einen Stern trug.
Das Unterhaltende und Wiedererkennbare steht bei Delta Q. jedoch eindeutig im Vordergrund. Das goutiert das Publikum mit begeistertem Applaus, der teilweise im Stehen gespendet wird. Echte Pfannenfavoriten schon am ersten Abend.
©2016 BonMot-Berlin
Fotos: BonMot-Berlin | Carlo Wanka
Vorschau weiteres Programm in St. Ingbert 2016 – Berichte über die St. Ingberter Wochen der Kleinkunst aus den vergangenen Jahren
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