Ursula von Rätin, Daphne de Luxe und Starbugs Comedy
von Gilles Chevalier
ST. INGBERT – Ein Dresdner Frauenduo der besonderen Art eröffnet den zweiten Wettbewerbstag: Ursula von Rätin zeigt Ausschnitte aus dem Programm „Kabaratte sich wer kann“.
Ursula von Rätin ist eine Puppe in Gestalt einer Ratte, deshalb ist sie auf die Hilfe der Puppenspielerin Cornelia Fritzsche angewiesen. Ursula hieß übrigens in ihrem früheren Leben Volodya und war ein Rattenbock. Er spielte im Puppentheater Dresden und verschwand nach der Wende für mehr als zehn Jahre im Fundus, wo er von Cornelia Fritzsche gefunden und kurzerhand einer Geschlechtsumwandlung unterzogen wurde.
Ursula von Rätin braucht ein Drittel ihrer dreiviertelstündigen Auftrittszeit, um diese Geschichte zu schildern. Zaghaft zeichnen sich Parallelen zwischen dem Verhalten von Menschen und Ratten ab: Beide wollen das Schicksal nicht akzeptieren, und es am liebsten zum Nachbarn schicken. Doch das Schicksal lässt sich nicht beeinflussen. Vollständig erschließt sich auch nicht, warum die Geschlechtsumwandlung der Ratte wichtig ist: Geschlechtsspezifische Merkmale lassen sich weder an der Kleidung noch an der Stimme erkennen.
Cornelia Fritzsche lässt ihre Ursula immer wieder in neue Rollen schlüpfen. Mit einem geschickten Griff wird aus dem Halstuch der Puppe ein Kopftuch und schon ist eine neue Figur zu spielen. Was in einer kleinen Puppentheaterbühne als hohe Kunst erkannt werden kann, geht in der Stadthalle von St. Ingbert mit mehr als 800 Plätzen unter. Jedenfalls hinter der achten Reihe – der Kritiker saß in der Vierzehnten.
Wie stark Puppenspielerin und Puppe miteinander verschmolzen sind, zeigt sich dann am späteren Abend beim hautnahen Talk mit den Künstlern im intimen Festivalkeller. Lachend gesteht Peter Tiefenbrunner, der Moderator des Festivalkellers, dass er zeitweilig nicht wusste, ob er mit der Puppenspielerin oder mit der Puppe das Gespräch führte.
Zurück zum Auftritt Ursula von Rätins in der großen Stadthalle. Ihren Namen leitet sie übrigens vom Ratgeben ab. Sie ist gleichzeitig eine vorlaute Ratte, die das Märchen vom Mann, der durch eigene Hände Arbeit zum Millionär geworden ist, in einem Satz erzählen kann. Gepiesackt wird sie vom Kasper, der auf seine jahrhundertealte Tradition verweist und die Klappmaulpuppe Ursula beschuldigt, ihm den Arbeitsplatz weggenommen zu haben. Schließlich war der Kasper auch 1989 dabei und kann erzählen, „wie das große Land das kleine Land auffraß.“ Ein gesungenes Plädoyer für Individualität rundet den Auftritt ab, der mit heftigem Applaus und vereinzelten Jubelrufen endet. Dabei geht unter, dass sich das Nagetier zehn Minuten mehr Zeit auf der Bühne gegönnt hat als vorgesehen.
„Comedy in Hülle und Fülle“ heißt das Programm von Daphne de Luxe – und der Titel hält, was er verspricht. Die oberfränkische Stimmungskanone mit Karnevalserfahrung weiß, wie man dem Publikum einheizt. Selbstironisch und augenzwinkernd geht sie das gängige schlanke Schönheitsideal an. Die Künstlerin, die in einer Mixed Show einmal mit den Worten „Hat das Blümchen einen Knick, war der Schmetterling zu dick: Daphne de Luxe!“ angekündigt wurde, plädiert für Genuss ohne Reue.
„Ich war nie ein zartes Kind, ich war ein gesundes Kind“, erklärt sie und nimmt die Mitmenschen auf den Arm, die mehr an ihrer Figur leiden als sie selbst. Ihr lässiges Stand Up reichert sie mit Zoten und Witzen an und weiß „Sex Bomb“ von Tom Jones im griechischen Volkslied-Stil zu singen. Das Publikum jubelt und spendet begeistert Applaus.
Aus der Schweiz sind Fabian Berger, Martin Burtscher und Wassilis Reigel angereist. Zusammen sind sie „Starbugs Comedy“ und zeigen Ausschnitte aus dem Programm „Crash Boom Bang!“ Ihr Programm kommt ohne Worte aus und besteht aus Tanz und Akrobatik. Mancher Gag entwickelt sich, weil vermeintlich etwas schiefgeht. Wenn die Drei beim Tanzen durch ein klingelndes Handy gestört werden, entwickelt sich aus der Ablenkung Unaufmerksamkeit, die die Nummer dann in einer Schlägerei enden lässt.
Stets entwickeln sie aus einer Szene die nächste. Einen Blackout gibt es bei Starbugs Comedy nicht. Und wenn es zu verrückt wird, kann einer der Darsteller einen Hebel betätigen, um die Szene anzuhalten. Die Nummern sind mit Zitaten aus Pop- und Rockmusik verfeinert, die selbst schon Klassiker geworden sind. „Bohemian Rhapsodie“ von Queen gehört dazu, aber auch der „Jailhouse Rock“ von Elvis Presley, zu dem die Drei mit Gummipuppen Rock ’n‘ Roll tanzen.
Auf der Tonspur von „Crash Boom Bang!“ liegen neben der Musik auch noch Soundeffekte. Mit höchster Präzision bewegen sich die Künstler zu ihrem Soundtrack, der bis zu vierzig Minuten lang sein kann. Lang applaudiert das Publikum dieser artistisch-komödiantischen Show.
©2016 BonMot-Berlin
Fotos: BonMot-Berlin
Vorschau weiteres Programm in St. Ingbert 2016 – Berichte über die St. Ingberter Wochen der Kleinkunst aus den vergangenen Jahren
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