Bayerische Willkommenskultur – Kolumne von HG.Butzko

HG Butzko - Kolumne - design c.wankaLiebe Freunde des politischen Kabaretts,

der September stand ganz im Zeichen des Bayerischen Kabarettpreises, und wer mal 20 Minuten Zeit hat, sollte sich diesen Leckerbissen, inklusive Home-und Enthüllungs-Story, Laudatio von Helmut Schleich und Schlusswort von Georg Schramm nicht entgehen lassen.

Groucho Marx, einer der Marx-Brothers sagte einmal, er möchte keinem Club beitreten, der bereit ist, ihn als Mitglied aufzunehmen. In Bezug auf den Bayerischen Kabarettpreis heißt das: Was ist diese Auszeichnung eigentlich noch wert, nachdem jetzt ein Gelsenkirchener wie ich ihn bekommen hat?

Nun, es zeigt: Noch ist die Willkommenskultur in Bayern intakt. Denn ich komme ja nicht nur aus dem Ausland, sondern ich bin ja auch kein Christ. Gut, im Gegenzug habe ich aber auch extra drauf verzichtet, meine Burka anzuziehen.

Aber religiös-kulturelle Unterschiede sind ein spannendes Thema. Bei einem meiner ersten Auftritte in Bayern bekam ich vom Veranstalter vorab die Bitte, ich möge etwas zum Thema Gesundheitspolitik machen. Da hab ich gedacht, gut, mach ich was am Beispiel Rückenschmerzen. Der Sketch sollte so anfangen: Was ist der Unterschied zwischen Jesus und mir? Jesus war erst bei Pontius Pilatus und dann am Kreuz. Ich habs erst im Kreuz und renn seitdem von Pontius zu Pilatus.

Wisst Ihr was ich da zu hören bekam? Butzko, bist du wahnsinnig? Auf gar keinen Fall nicht. Katholische Kirche in Bayern, nur seriös. Im Kabarett gar nicht. Nicht mal als Thema erwähnen. Da hab ich geantwortet: OK, aber was, wenns sich um einen evangelischen Jesus gehandelt hat? Da bekam ich eine Antwort zu hören. Ich sag mal so: In den Psychatrien sitzen welche für weniger.

Aber eines habe ich da gelernt. Es gibt einen Unterschied zwischen Religionen und Religiosität. Religiosität ermöglicht dem Einzelnen eine Beziehung zum Ganzen. Und wers braucht, warum nicht.

Religionen sind Kartelle zur Durchsetzung von Machtansprüchen. Deswegen brauchen Religionen unbedingt religiöse Menschen, um ihnen Gottesfurcht einzuflößen, während religiöse Menschen nicht unbedingt Religionen brauchen, um den lieben Gott einen guten Mann sein lassen zu können.

Neulich hatte ich mal so eine Begegnung der dritten Art. Da sprach mich einer an, und fragte mich, ob ich eigentlich religiös bin. Hab ich geantwortet: „Um Gottes Willen, bloß nicht.“ Da hat er gesagt, ich soll Rücksicht auf seine religiösen Gefühle nehmen. Da hab ich gesagt: „Wenn Gott will, dass der Mensch keine Fehler macht, warum gibt es dann so viele Radiergummis? Wenn Gott will, dass ich nachts schlafe, wieso hat er die Stechmücke geschaffen? Und wenn er will, dass eine Frau nachts schläft, wieso gab er ihrem Mann ein Gaumensegel?

Und da hat er wieder gesagt, ich soll Rücksicht auf seine religiösen Gefühle nehmen. Und da habe ich geantwortet: Ich gehöre einer Glaubensgemeinschaft an, die das Tragen von Haaren zwingend verbietet. Ja, Ihr lacht, aber was meint Ihr, was der Anblick Eurer Frisuren meine religiösen Gefühle verletzt. Ja, Ihr lacht immer noch, aber es gibt in Deutschland ein Gesetz, das das Verunglimpfen von religiösen Bekenntnissen unter Strafe stellt, wenn dadurch der öffentliche Frieden gefährdet ist. Wenn Eure Frisuren mich beleidigen, ist das mein Pech. Wenn ich deswegen randaliere, ist das Euer Pech. Dann bin ich zwar schuld. Aber Ihr werdet bestraft. Wegen Euren Frisuren. Und wenn ich mir so manche Frisur hier betrachte, ist die Strafe auch längst überfällig.

Aber es gibt eben nicht nur Gläubige, sondern auch Fanatiker und Fundamentalisten. Leute, über die Karlheinz Deschner mal sagte: „Je größer der Dachschaden, umso schöner die Aussicht zum Himmel.“

Aber das war, wie gesagt, zu Anfang meiner Kabarettlaufbahn. Ist inzwischen rund 20 Jahre her. Und mittlerweile hat sich ja bezüglich der Machtansprüche von Religionen in Bayern vieles geändert…

Wir haben in Berlin eine große Koalition, deren Regierungserklärung von Angela Merkel im Bundestag mit dem Satz endete: „Diese Bundesregierung will die Quellen des guten Lebens allen zugänglich machen.“ Ein Leitmotiv für eine große Koalition, deren Koalitionsvertrag auch von Horst Seehofer unterschrieben wurde. Und zwei Jahre später sieht der Seehofer Flüchtlinge auf die Grenze zukommen, und denkt: Scheiße, das mit dem „allen zugänglich machen“ hat die Alte ernst gemeint.

Und jetzt distanziert er sich von dieser großen Koalition, und man diskutiert in einer christlich sozialen Partei darüber, dass christliche Nächstenliebe nur für christliche Ausländer gelten soll. Was ist das? Jesus, der im Grab rotiert.

Und auch ein Burkaverbot kramt man wieder hervor. Worauf die Münchener Hoteliers, Klinikbetreiber, Modeboutiquenbesitzer, die Münchener Geschäftsleute die CSU fragen, ob man es sich wirklich mit der zahlungskräftigen weiblichen Kundschaft aus Saudi-Arabien verscherzen will. Und spätestens, wenn der erste ausgerechnet hat, wie hoch dadurch die Verluste bei den Steuereinnahmen sind, dann wird der Seehofer wieder seine liebste politische Übung machen: Die Standpunktpirouette.

Oder um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, was der bayerische Kabarettpreis noch wert ist, nachdem ein Gelsenkirchener ihn bekommen hat. Solange keiner meiner Vorgänger aus Protest gegen meine Auszeichnung den Seehofer macht und seinen Preis zurückgibt, solange ist die Willkommenskultur in Bayern intakt.

 

©2016 HG.Butzko/ BonMoT-Berlin

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