von Gilles Chevalier
BERLIN – Mit seinem zweiten Solo-Programm „Stand Up“ ist Moritz Neumeier angekommen – nicht nur im Mehringhof-Theater in Kreuzberg, wo er kürzlich ein Gastspiel gab. Neumeier ist angekommen in der Gruppe der Jungen Wilden im Kabarett. Konsequent geht er seinen Weg, der immer wieder durch Unsicherheiten und Fragen gekennzeichnet ist.
Neumeier möchte nämlich auch gerne dazugehören. Zum Beispiel zu einer Gruppe, die sich bei einem Small Talk kennenlernt. Aber, so sagt er: „Ich bin nicht gut im Gespräche führen.“ Mit provokanten Aussagen stößt er die Anderen in der Gruppe ab. Er irritiert eben gerne und schafft so die größtmögliche Aufmerksamkeit. Niemanden lässt es schließlich kalt, wenn Moritz Neumeier beispielsweise vorschlägt, vierzehn Tage lang nur noch mit erhobenem rechten Arm zu grüßen. Nicht, um die rechte Gesinnung auszudrücken, sondern um die Geste zu etwas Alltäglichem zu machen. Damit ist es dann nicht mehr möglich, mit erhobenem rechten Arm zu provozieren.
Der 28-Jährige, Vater eines 18-monatigen Sohnes, fragt sich, wie die jungen Leute ticken. Beim AStA-Plenum in Lüneburg merkt er, dass er dieser Gruppe bereits entwachsen ist. Auch der Gruppe der Väter gehört er nicht richtig an. Dafür ist er zu jung und hat zu viele eigene Ideen im Umgang mit seinem Sohn. Eines weiß er genau: Er will es besser machen, als sein eigener Vater. „Ich möchte, dass mein Sohn weiß, das ich stolz auf ihn bin.“ Deshalb hat er das Laufenlernen seines Kindes perfektioniert. Es soll nicht einfach nur wieder aufstehen, sondern dabei auch noch lächelnd die Geste eines gescheiterten Bodenturners machen.
Schräge Ideen sind es, mit denen Neumeier sein Publikum für sich einnimmt. Wenn er von den Gehässigkeiten Körperbehinderter untereinander erzählt und daraus schließt, dass sich auch Nicht-Behinderte über Behinderte lustig machen dürfen. Die Grenze ist erst erreicht, wenn sich ein Behinderter auf den Schlips getreten fühlt. Nicht etwa, wenn jemand im Namen der Behinderten die Stimme erhebt!
Von der irrationalen Angst als Kind, die Füße von den Honky Tonks abgeschnitten zu bekommen, wenn sie unter der Bettdecke hervorschauen, kommt er auf die irrationale Angst Erwachsener vor Muslimen. Er fordert Solidarität mit den Armen und Schwachen – aber nicht auf Kosten Geflüchteter! Dafür gibt es im Mehringhoftheater Szenenapplaus. Ist eben manchmal doch noch ein bisschen links, dieses Kreuzberg…
Der Solo-Künstler Moritz Neumeier bleibt jedoch ein Einzelgänger. Seine Fragen zum richtigen Umgang mit anderen Menschen werden im Laufe des Abends immer mehr. Er bleibt auf der Suche nach Anschluss, denn die Antworten und Erfahrungen führen nicht zur Eingliederung in irgendeine Gruppe. Dafür sind sie zu stark gegen den Strich gebürstet. Aber sehenswert sind sie allemal.
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Kreuzberger Mehringhoftheater, Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin
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