Abstruse Übungen von Leib und Seele – Kritik Leipziger Central Kabarett
„Dada is Muss“ als Kammerspiel
von Harald Pfeifer
LEIPZIG – Der Geburtstag von Dada ist der 5. Februar 1916. Junge Kriegsflüchtlinge trafen sich danach ein Vierteljahr täglich, außer freitags, im Züricher Cabaret Voltaire. Sie machten Programm, bezogen das Publikum mit ein in ihr wirres Spiel, verweigerten sich strikt dem bürgerlichen Kunstverständnis und entwickelten so fast ungewollt grundlegende Prinzipien für die künstlerische Moderne des bevorstehenden Jahrhunderts.
Dada war für sie aber auch ein Weg, sich notdürftig im Exil den Lebensunterhalt zu verdienen.
Freilich war der 100. Geburtstag von Dada schon vor neun Monaten, aber die Premiere des Programms „Dada is Muss“ im Leipziger Central Kabarett wurde auch erst im Mai abgehalten. Seither ist der bemerkenswerte Abend nur sechsmal aufgeführt worden. Ein Liebhaberstück, das mit viel Raffinesse zusammengestellt und für die Bühne arrangiert wurde. Die Akteure sind neben Hans-Dampf Meigl Hoffmann, Urdadaist Ekkehart Dennewitz und die überaus clowneske Emma Rönnebeck. Zusammengekommen sind damit ein Vollblutkabarettist, ein renommierter Theatermann und eine Schauspielerin, die einfach nicht zu halten ist. Überzeugend hat Leoni Sowa Regie geführt und zu guter Letzt steuerte ein Trio Geräusche, Jazz und Rhythmus mit dadaistischem Charme bei.
Zu erleben sind im Leipziger Central Kabarett Lautmalerei wie auch jede Menge Unsinn, Manifeste, abstruse Übungen von Leib und Seele, sowie der Aufstand gegen sich selbst und den Rest der Welt.
Die ausgewählten Texte waren von Hugo Ball, Richard Hülsenbeck und Raoul Hausmann. Man wird nach Paris geführt, danach zog die legendäre Antikunst aus der Spiegelgasse in Zürich immer größere Kreise, sie wurde zur Weltbewegung und führte zur modernen Kunst.
Dada kann man nicht beschreiben, zumal an einem Abend, aber der Geist war deutlich spürbar. Es passte alles zusammen, der Enthusiasmus der Mimen, das Konzept mit großem Bogen bis in die Gegenwart und immer wieder der große Unsinn samt überraschender Details. Selbst das verunsicherte Publikum passte ins Geschehen. Zahlreich war es nicht gerade, ein Abend halt für Liebhaber der Provokation, der Absage an die Kunst als Geschäft oder des Spottliedes auf den Mainstream.
Wenn man diesem Abend einen Vorwurf machen wollte, ist es der, dass er zu kunstvoll war. Zuviel Ordnung im paradoxen Geschehen. Das aber war auch die Stärke der Dramaturgie.
Die einstige vehemente Absage an die bürgerliche Kultur wurde mit den Mitteln von Dada im Wandel des letzten Jahrhunderts skizziert. Meigl Hoffmann als Provokateur, Ekkehart Dennewitz als dadaistischer Überzeugungstäter und Emma Rönnebeck schrill mit überzogenen Bewegungen, die an Ausdruckstanz erinnerten.
Zum Schluss gab es kräftigen Applaus von den wenigen Besuchern. Aber das war von vornherein klar, Gewinn im üblichen Sinn bringt so eine Veranstaltung nicht ein. Genau das aber ist das Verdienst von Meigl Hoffmann. Zu erleben ist das Programm „Dada is Muss“ im Leipziger Central Kabarett im neuen Jahr 2017 bis März jeweils einmal im Monat.
© 2016 BonMoT-Berlin
Fotos: Harald Pfeifer/ BonMoT-Berlin
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