Wenzels neue CD „Wenn wir warten“
von Harald Pfeifer
„Wenn wir warten“ ist Wenzels 40. CD. Das ist nicht gerade wenig. Lieder zu schreiben, ist für ihn offensichtlich eine Form, sich des Lebens zu vergewissern und sich mitzuteilen.
Jede seiner CDs folgt einem Grundgedanken, den die Lieder dann vertiefen. Dieses Mal geht es um die Spannung zwischen Ungeduld und Warten als Zeiterscheinung.
Die CD „Wenn wir warten“ ist eher eindringlich als laut. Und das hat seinen Grund. Wer heutzutage gehört werden will, muss leise sprechen. Laut sind die anderen, und zu denen gehört Wenzel in jedem Falle nicht. Er stellt Fragen.
„Welche Worte tragen weiter,
wenn sie sanfter sind und leiser,
welche Sehnsucht stimmt mich heiter,
welche Trauer macht mich weiser.“
(Welches Lied soll ich jetzt singen)
So beginnt die CD. Entstanden sind die neuen Lieder vor allem im letzten und dem laufenden Jahr. Besonders ist: Sie sind an sehr verschiedenen europäischen Orten geschrieben worden. Triest, Jurilowka, Madeira, Tirana, Wien oder Hiddensee und natürlich in Berlin. Inspiriert von der Fremde oder überhaupt vom Reisen.
Das Zeitgeschehen wird somit aus einer fremden Perspektive betrachtet. Ein Prinzip, das der allgemein verbreiteten Neigung zur Nabelschau entgegenwirkt. Und dabei tauchen fast zwangsläufig Themen auf wie Heimat und Flucht, Nationalismus oder soziale Kälte. Und über allem steht die Auseinandersetzung zwischen Individuum und Gesellschaft. Wenzel lässt den Hörer miterleben.
„Diese Stadt ist wie das Lächeln aus den Augen,
Partys ohne Ende, Frohsinn ohne Grund.
Ich muss fort, eh sie mir den Atem rauben.
Ich streune durch die Straßen wie ein herrenloser Hund.“
(Such mich nicht)
Ein Lied, schon fast 25 Jahre alt, leicht verändert. – Bei all seinen Einwänden sucht Wenzel den naiven unvorbelasteten Blick. Diese Art der Unschuld gehört immer auch zu seiner Betrachtungsweise.
„Und so dreh ich mich noch immer in steten runden Bahnen wie an meinem Anbeginn
auf meiner Kindheit bunten Karussellen, von denen ich nie abgestiegen bin.“
(Auf meiner Kindheit bunten Karussellen)
Wenzel ist immer Poet und nie Ideologe. Auch wenn sein Standpunkt keine Frage offen lässt. Er ist ein Getriebener, dem die Zeit durch die Finger rinnt. Es ist noch so viel zu tun. An diesem Gedanken hat sich für ihn seit dem Lied „An mich, nachts“, vor 30 Jahren entstanden, nichts geändert. Das Leben ist ein Fulltimejob.
„Ich hab zu viel geraucht, zu viel gesoffen,
schrie heiser mich verzweifelt im Gesang
und konnte es nicht lassen doch zu hoffen,
obwohl zu ändern diese Welt mir nicht gelang.“
(Verbrannt nach Strich und Faden)
So war es immer. Die Welt steht im Fadenkreuz der unterschiedlichsten Interessen. Und die werden nicht selten auf kriminelle Weise wahrgenommen.
„Es gleichen sich die Phrasen meiner Herrscher,
da sei nichts zu ändern,
der Stacheldraht ist gleich,
ob nun in freien oder unfreien Ländern.“
(Gleichheit)
Neben Wenzel (g, acc, p, voc) gehören zur Band noch Hannes Scheffler wie auch Thommy Krawallo (beide g,b), wie auch Stefan Dohanetz (d) und Yael Fiuza Souto (tp). Sie spielen eine Mischung aus Rock, Folk und Jazz, die Wenzel mit seinen Musikern über die Jahre entwickelt hat. Es tauchen Lieder nach deutscher Volksliedtradition auf, solche mit leichtfüßigen Latino-Rhythmen, aber auch Gassenhauer. Und Wenzel interpretiert in der Art eines großartigen Erzählers. Das Versmaß stimmt und die Reime treiben die Geschichte voran. Das ist das saubere Handwerk, das man von ihm kennt und schätzt.
Und natürlich ist bei Wenzel die Liebe immer mit im Spiele. Sie bedeutet Leidenschaft, Rückzugsort, Notgemeinschaft, die trennt sicher das Wichtige vom Belanglosen und durchdringt alle Lebensbereiche.
„Es ist nicht viel, was mich am Leben hält,
ein Lied, das sich in dich verliebt,
ein Fliederduft sich aus dem Dunkel schält
und alles schön wird, was mich nah umgibt.
Auf dass ich nicht zerbrech an dieser Welt.“
(Nicht viel)
Und da ist sie, die Spannung zwischen Ungeduld und Warten.
© 2016 BonMoT-Berlin
CD „Wenn wir warten“ von Wenzel, erschienen bei Matrosenblau
ISBN: 978-3-941155-49-7
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Foto © Carlo Wanka