Die HengstmannBrüder: „Darum geht’s nicht“
von Gilles Chevalier
BERLIN – Kabarett in der dritten Generation. Das gibt es in Sachsen-Anhalt. Angefangen hat es mit Großvater Erich, der das Kinderkabarett in der DDR begründete.
Vater Frank wurde auch Kabarettist und seine Söhne Sebastian und Tobias tun es ihm gleich. Die Söhne gemeinsam oder solistisch, der Vater im Ensemble oder als Solist – alle zusammen betreiben mit weiterer familiärer Unterstützung in Magdeburg das Kabarett-Theater „…nach Hengstmanns“.
Die HengstmannBrüder Sebastian und Tobias gastierten jetzt in der Außenstelle des Berliner Kabarett Theaters „Die Wühlmäuse“, im „Quasimodo“ am Bahnhof Zoo. „Darum geht’s nicht“ heißt ihr 13. Programm, das am 10. November 2016 seine Premiere feierte. Locker und ungezwungen stehen die Brüder an einem Bistrotisch auf der kleinen Bühne.
Man merkt ihnen an, dass sie sich aufeinander verlassen können. Ungeplantes, wie umgestoßene Gläser oder störende Feuerwehrsirenen, bereitet ihnen keine Schwierigkeiten. Freudig improvisierend nehmen sie solche Dinge auf. Aus dem Konzept bringen kann sie so etwas nicht – das machen sie spitzbübisch schon selbst. Aber immer auf eine freundliche und vertraute Art.
Überhaupt: das Vertraute. Die Bühnensituation tritt im ersten Teil ziemlich in den Hintergrund. Es fühlt sich an, als ob man zwei guten Bekannten mit spitzen Zungen beim Feierabendbier zuhören würde. Hier gibt es kein intellektuelles Geschwirbel und kein lehrmeisterliches Getue. Das Dialektische beschränkt sich auf die unterschiedlichen Interpretationen des Programmtitels „Darum geht’s nicht“: Das ist nicht unser Thema, oder hier ist die Begründung dafür, warum etwas nicht funktioniert.
Sebastian und Tobias Hengstmann finden viele Themen. Sie besprechen die vermeintliche Abschaffung des Bargelds, die EU-Osterweiterung oder die Flüchtlingskrise in gekonnten Dialogen. Den Supermarkt betrachten sie als Metapher für die gesellschaftliche Situation in Deutschland. Und die Kassen als die Parteien. Klar, dass die AfD-Kasse da nur am Montagabend geöffnet ist…
Den ganzen ersten Teil des Abends spielen die HengstmannBrüder eine große Szene am Bistrotisch. Das ist aber beileibe kein Stammtisch, denn den stellen sie nur aufs Stichwort dar. Dann wird es dumpf und laut, enthemmt und aggressiv. Glücklicherweise finden sie stets schnell zurück an den Bistrotisch. Und auch zurück zu ihrer entspannten Vorgehensweise.
Die aufwühlendsten Themen betrachten sie in Ruhe und von verschiedenen Seiten. Sie rücken gerade, sie rücken zurecht und kehren auf den Boden der Tatsachen zurück. Oder anders gesagt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Drei kurze Lieder lockern den Abend auf. Die HengstmannBrüder begleiten sich zu akustischer Gitarre und Kontrabass. Spitze, wie die beiden gesanglich drauf sind! Vor allem bei den gemeinsam gesungenen Passagen gestalten sie einen herrlichen Klang. Davon kann es gerne mehr geben!
Nach der Pause rückt der Bistrotisch gewissermaßen in den Hintergrund, damit die beiden vorderhand der Frage nachgehen können, was von der Kanzlerschaft Angela Merkels bleiben wird. Dazu lassen sie die Kanzlerin als Klappmaulpuppe auftreten und wenig Kanzlerhaftes sagen: „Viele sagen ja schon ‚Raute Nimmersatt‘.“ Klar, man einigt sich auf den Satz „Wir schaffen das.“
Das schafft Platz für Malte und Matze, den Langzeitstudenten der Sozialpädagogik und den Proll, der sich eigentlich „Mazze“ schreibt. Auch hier fühlen sie den Vorurteilen gehörig auf den Zahn. Ob es um angeblich faule Griechen oder die Protestwähler der AfD geht. „Protestwahl? Wenn ich im Restaurant sitze und es schmeckt mir nicht, dann lecke ich doch auch nicht aus Protest an der Klobürste!“
Das kann ja heiter bleiben! So, wie der gesamte Abend. Übrigens spielen die HengstmannBrüder in der Saison 2016/17 in der Kabarettbundesliga und treten mit Auszügen ihres Programms „Darum geht’s nicht“ bundesweit auf. Unbedingt hingehen!
© 2016 BonMot-Berlin
Foto: HengstmannBrüder/ HP Quasimodo
Links: Wühlmäuse – Quasimodo – HengstmannBrüder – Kabarettbundesliga