Liebe Freunde des politischen Kabaretts,
Dieter Hildebrandt sagte mal: „Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt. Und ein anderer, stets auf’s Neue gern bemühter Satz lautet: „Fußball hat mit Politik nichts zu tun.“ Nimmt man dann noch den Satz: „Fußball ist die schönste Nebensache der Welt.“, und wendet man darauf den klassischen Dreisatz aus der Mathematik an, ergibt das: „Wirtschaft ist die Politik, die dem Fußball keinen Spielraum mehr lässt.
Und auch wenn ich selbst diesen Gedanken erst drei Mal lesen musste, bis ich ihn verstanden hatte, so komm ich nicht umhin festzustellen: „Das stimmt.“
Denn die Sachen, die seit einiger Zeit beim Fußball neben dem Fußball stattfinden, sind alles andere als eine Nebensache. Gewaltverherrlichende Transparente, Unterwanderung der Stadionkurven durch Rechtsextreme, Ausschreitungen der Fans, das alles ist nicht schön. Allerdings nicht erst seit einiger Zeit. Das alles gab’s nämlich auch schon früher. Und mit früher meine ich nicht nur die 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, sondern auch schon die Zeiten der Weimarer Republik.
Richtig gelesen, Zuschauerrandale und Schlägereien zwischen Fangruppen gab es bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Einziger Unterschied zu heute: Damals haben auch die Vereinsvorstände und Präsidenten noch mitgeprügelt. Kein Witz. Zwischen den beiden Weltkriegen war es in Deutschland sogar Führungsschichten im Vereinsfußball viel zu friedlich, so dass sie zusammen mit dem Mob aufeinander losgingen. Zumindest in diesem Punkt hat sich in den letzten 100 Jahren doch ein bisschen was geändert. Auch wenn manches in unserer Gesellschaft heute wieder an die Weimarer Republik erinnern mag, in den Chefetagen des Landes begnügt man sich inzwischen mit verbalem Gefrotzel und überlässt das Gemetzel dem Fußvolk.
Aber wer behauptet, früher hätte man noch problemlos mit Frau und Kindern zum Fußball gehen können, der kann das nur behaupten, weil er früher eventuell gar nicht zum Fußball ging. Und das vielleicht, weil es den Verein, den man heute als Fan begleitet, früher noch gar nicht gab. Womit wir bei RB Leipzig wären.
Damit wir uns nicht missverstehen: Ich finde Gewalt grundsätzlich scheiße. Und zwar nicht nur gegen Frauen und Kinder. Wann immer ich diesen Zusatz höre, wie zum Beispiel nach den Ausschreitungen gegen die Leipziger Gäste in Dortmund, dass die Gewalt auch Frauen und Kinder betraf, frage ich mich, ob das blaue Auge und die gebrochene Nasenbein eines Mannes etwa weniger schlimm sein sollen? Wer sprachliche Verantwortung von Fußballfunktionären verlangt und gleichzeitig bei Gewaltopfern zwischen Männern und Frauen und Kindern unterscheidet, hat anscheinend selbst schon zu viel hinter die Löffel bekommen. Jedenfalls würde das die mangelnde Denkleistung erklären.
Gewalt ist grundsätzlich scheiße. Gegen Männer UND Frauen und Kinder. Punkt. Und gehört grundsätzlich bestraft. Punkt. Die Frage, die sich mir da allerdings stellt, lautet: Warum erst jetzt? Warum erst, nachdem es gegen die Anhänger einer Fußballtruppe ging, die genauso synthetisch produziert wurde, wie das Gebräu ihres Hauptsponsors?
Seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten beklagen die Fans diverser Vereine in Dortmund äußerst ungemütliche Anreisebedingungen, und zwar immer im Zusammenhang mit dem Empfangskomitee der Dortmunder Fangemeinde. Das hat die Presse so gut wie nie so richtig interessiert. Aber kaum sind die Fans von „Reißbrett Brause Leipzig“ betroffen, wird daraus ein Medienspektakel, dass man am liebsten dafür das Wort „Gschmäckle“ verwenden möchte. Was aber nicht zutreffend wäre, denn schließlich handelt es sich um einen Dosenhersteller, dessen Produkt alles Mögliche bietet, nur eben nichts, was auch nur annähernd mit Geschmack zu tun hätte.
Und damit wir uns noch mal nicht missverstehen: Natürlich ist dieses Konstrukt gut für den Osten. All jenen, die das anführen, mag ich gerne beipflichten. Aber sie mögen doch bitte nicht vergessen, dass Leipzig für Red Bull nicht die erste Wahl war, sondern erst nach den Absagen von Fortuna Düsseldorf, 1860 München und FC St Pauli in Betracht gezogen wurde. Das zeigt, dass man sich bei Red Bull nicht wirklich für den Osten interessiert. Und allein auch nur auf die Idee zu kommen, bei St Pauli anzufragen, zeigt, dass man sich bei Red Bull noch nicht mal für den Fußball wirklich interessiert.
Und das ist auch der entscheidende Unterschied zu anderen Kommerzvereinen wie zum Beispiel 1899 Hoffenheim. Der große Sponsor von Hoffenheim war schon Vereinsmitglied, als er selbst noch den Müll nach Pfandflaschen durchwühlte, so dass hier also von einer Herzensbindung gesprochen werden kann, während der große Sponsor von Leipzig eine Deutschlandkarte an die Wand hing und dann einen Club unterstützte, auf den zufällig sein Dartpfeil getroffen hatte.
Ralf Rangnick, der Projektmanager von RB Leipzig sagte mal: „In 500 Jahren ist RB Leipzig genauso ein Traditionsverein wie Borussia Dortmund. Nur eben 100 Jahre jünger.“ Das ist natürlich nicht ganz richtig. Denn wenn die Entwicklung so weiter geht, dann ist RB Leipzig in 500 Jahren genauso ein Traditionsverein wie Starbucks Erkenschwick und IKEA Pirmasens. Borussia Dortmund dürfte es dann so eher nicht mehr geben. Was mich freuen könnte. Wenn ich nicht wüsste, dass es Schalke 04 dann so auch nicht mehr geben wird.
Nur den Fußball, den wird es auch in 500 Jahren ganz sicher noch geben, nur eben nicht mehr als die schönste Nebensache der Welt, sondern der Fußball, der ist dann nur noch die schönste Nebensache des Fußballs. Weil die Politik der Wirtschaft diesen Spielraum lässt. Darauf einen Red Bull.
In diesem Sinne, wir sehen uns…
LOVE & PEACE & EGGS TO SEA
von Herzen herzlichst Euer
Herz-Günter Butzko
©2017 HG.Butzko/ BonMoT-Berlin
Wer diesen Letter kommentieren will, tut das entweder HIER auf Butzkos Blog oder HIER bei Facebook oder nutzt die Kommentarfunktion unten.
die nächsten Live-Termine auf der Homepage von HG.Butzko – Butzkos Kolumnen auf liveundlustig