An die Gegenwart erinnert – CD-Besprechung Rainald Grebe

Rainald Grebe: Das Elfenbeinkonzert
von Harald Pfeifer

Die Überschriften der Programme wie auch CDs von Rainald Grebe erscheinen auf den ersten Blick oft etwas zufällig, geradezu kapriziös. Aber das täuscht. Immer vertieft er ein konkretes Thema, das zudem eng mit der Gegenwart verbunden ist. Beispielsweise „Die Berliner Republik“, „1968“ oder „Volksmusik“…

Seit etwa einem Jahr tritt nun der Berliner Liedermacher und Theatermann mit seinem „Elfenbeinkonzert“ auf. Man denkt zunächst an das Elfenbein der Klaviertasten. Der Bezug ist jedoch ein anderer.

Rainald Grebe war kurz zuvor auf Einladung des Goethe-Institutes im afrikanischen Staat Elfenbeinküste und hat mit Einheimischen alte wie auch heutige deutsche Volkslieder gesungen. Kurz nach seiner Abreise wurde die Leiterin des Institutes dort, Henrike Grohs, neben anderen von Al-Qaida-Terroristen am Stand ermordet. Daran, aber auch an die Gegenwart will Grebe mit seiner CD „Elfenbeinkonzert“ erinnern. Irgendwie geht es um die Frage, was läuft hier eigentlich gerade?

Seine Programme, besonders seine Lieder erschließen sich am besten, wenn man den Berliner als Theatermann versteht. Er erklärt nicht, er erzählt aus dem Leben, er sagt nicht, wie es ist, sondern wie es sich dabei lebt. In dem Sinne betreibt er gleich zu Beginn Scherze mit dem Grauen.

junge fährst du in den irak
sag immer freundlich guten tag
höflichkeit kommt immer an
bei muselfrau und muselmann

und sitzt du einmal im knast
denk immer dran du bist zu gast
sei bescheiden halte mass
dann fällst du niemandem zur last

Das ist die Art, in der der Berliner Liedermacher spielerisch mit Spott und Übertreibung dem Alltag nachspürt. Er lädt einerseits zu jenem Lachen ein, das ein Verstehen signalisiert, andererseits distanzierender Hohn. Themen sind dabei jenes Marketing-Prinzip, das den Erfolg mit kühnen Behauptungen erzwingen will (Stadtmarketing) oder die Neigung, das Leben zunehmend der Welt der Computerspiele anzugleichen. Da ist die Schrulligkeit der Trendbewussten und überhaupt die rosa Plaste-Welt, in der sich die Kids verlaufen und nicht merken, dass sie entzückt zu Objekten werden, traktiert durch Toys und Tools. Grebe singt vom Kinderbergwerk:

Geh unter tag du blag
silber zinn und erz
und der liebe gott sieht alles
hier in der zeche knirps

Auf die knie sophie
Runter in den stollen
das leben ist müssen und nicht wollen
justin na wie geht’s im flöz

Man merkt, die Gegenwart ist gar nicht mal so spektakulär, eher wie Rainald Grebe sie beschreibt. Ihm zufolge bewegt sich der Mensch zwischen dem Heute und dem Mittelalter. Weiter hat er es einfach nicht geschafft. Sein sinniger und kluger Spaß ist so gesehen ein Gegengewicht zu Terror und Mord. Zum Beispiel an der Elfenbeinküste. Grebe erinnert an die Chefin vom Goethe-Institut, seine Freundin, wie er sagt, der man an der Elfenbeinküste ohne Sinn das Leben genommen hat. Was soll ich tun? Ist nun seine Frage. Er könne nur Lieder machen, also bliebe ihm nichts übrig, als einfach nur weiterzumachen.

Und das macht er dann auch. Rainald Grebe Lieder haben Rollentexte. Er führt eine Art Musiktheater auf, mit Leidenschaft und wohldosierter Wurschtigkeit. Seine Musik ist eher keine große Kunst. Sie hat etwas von jener modernen Volksmusik, die dem Schlager verwandt ist. Doch er ist zu sehr Theatermann, als dass er diesem zu nahe käme. Grebe schafft eine Atmosphäre zwischen Witz und Melancholie. Das neue Programm bzw. die neue CD „Elfenbeinkonzert“ ist treffend, offen und neugierig, von ernsthafter Heiterkeit, wie immer wie Theater live aufgenommen und vor allem einfach gut.

Jetzt stehn wir hier jetzt sind wir soweit gekommen
Und alles was wir sehen ist so schön verschwommen
Das libellenauge hat so viele facetten
Wie das wohl wär wenn wir so eins hätten

©2017 BonMoT-Berlin

CD Rainald Grebe: Das Elfenbeinkonzert (2017)

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