Am Mittwoch bei Bartuschka und den Stage Diven in der ufa-Fabrik
von Beate Moeller
BERLIN – Einen ganz besonderen Gast präsentiert Bartuschka bei den Stage Diven, der Mixed Show, in der nur Frauen mitspielen, am kommenden Mittwoch: Narcissister. In der New Yorker Szene sorgt sie für Furore. Mit ihrer durchgeknallten NeoBurlesque Show tritt sie auf der ganzen Welt auf. Selten kommt sie nach Europa. Niemand kennt ihr Gesicht. Nun hat sie ihr Gastspiel in London unterbrochen, um nur an diesem einen Abend eine der Stage Diven in der ufa-Fabrik zu sein. – Liveundlustig hat Narcissister zum Interview getroffen.
Was bedeutet der Name Narcissister?
NARCISSISTER: Als ich das Projekt ‚Narcissister‘ gestartet habe, war mir klar, dass ich dafür einen eigenen Namen brauche. Und ich wollte berücksichtigen, dass ich eine Farbige bin. Ich habe nach Ideen gesucht und einfach im Wörterbuch geblättert. Da ist mir das Wort „narcissist“ (Narzisst) aufgefallen, und dass ich nur die Buchstaben „er“ hinzufügen muss, und dann wird es „sister“ (Schwester). Bei meinem Projekt geht es nicht nur um Narzissmus, sondern auch um „sisterhood“ (Schwesternschaft), Gemeinschaft und Inklusion.
Du trittst immer mit Maske auf. Niemand kennt dein Gesicht. Möchtest du deine Identität verbergen oder hat das andere Gründe?
NARCISSISTER: Ich möchte, dass das Projekt mehr ist, als es ohne die Maske wäre. Ich möchte etwas Umfassenderes sagen. Mit der Maske bin ich jemand anderes. Die Maske erlaubt mir eine Art universeller Übertreibung. Ohne sie wäre das nicht möglich.
Vermutlich ist das eine besondere Maske. Erzähl mir ihre Geschichte.
NARCISSISTER: Ein umfunktionierter Perückenkopf! Er wurde in den Sechzigern von einer Frau, die Verna Dorian heißt, in Los Angeles designed. Es war ihre Erfindung. Ich habe ihr Patent im Netz gefunden. Damals waren Perückenköpfe noch aus schwerem Gips, sie hat welche aus diesem neuartigen Kunststoff hergestellt.
Als ich mal als Schaufensterdekorateurin gearbeitet habe, habe ich so ein Ding im Lager entdeckt und festgestellt, dass man das Gesicht vom Hinterkopf abtrennen kann und dass ich nur Löcher für die Augen und den Mund und die Nasenlöcher rausschneiden muss und ihn als Maske benutzen kann.
Nimmst du dir durch die Maskierung nicht eine wesentliche Komponente des Schauspiels – die Mimik?
NARCISSISTER: Ich bin ja ursprünglich Tänzerin. Der Körper ist so ausdrucksstark. Zu allererst können die Hände sehr viel ausdrücken, aber auch der Körper. Ich habe herausgefunden, dass die Maske sehr expressiv ist, selbst wenn sich ihr Gesichtsausdruck nicht verändert.
Welche Möglichkeiten hast du mit der Maske, die du ohne die Maske nicht hättest?
NARCISSISTER: Davor habe ich ja jede Menge andere Sachen gemacht. Aber die kamen nicht so gut an. Jetzt, mit der Maske, habe ich so viele Möglichkeiten. Ich trete auf der ganzen Welt auf. Damit verdiene ich mein Geld. Ich bin sehr zufrieden.
Mit deiner Bühnenfigur stereotypisierst du die Frau. Was ist das, was alle Frauen gemeinsam haben, was jede Frau betrifft?
NARCISSISTER: Ich habe eher einen universellen Ansatz. Das betrifft alle Menschen, Männer und Frauen gleichermaßen. Es geht doch eher um Gemeinschaft. Das ist schwer zu sagen, was alle Frauen gemeinsam haben. Alle Frauen haben Vaginen und Brüste. Und danach wird’s kompliziert. Wir werden alle geboren, und wir müssen alle sterben. Das haben wir alle gemeinsam.
Möchtest du schockieren? Möchtest du provozieren?
NARCISSISTER: Nein, das ist nicht meine Absicht. Aber oft ist das die Reaktion auf meine Arbeit.
Deine Botschaft?
NARCISSISTER: Die ist vielschichtig. Das hat was mit Befreiung zu tun, und dann möchte ich was über Rasse sagen, über Geschlechterrollen und übers Älterwerden, Kritik an der Mode. Es soll auch immer Humor dabei sein. Aber meine wichtigste Botschaft ist: Befreiung.
Auf Twitter habe ich Äußerungen gelesen wie „That’s disgusting“ (Das ist ekelhaft.) oder „That’s insane“ (Das ist krank.) Wie berührt dich das?
NARCISSISTER: Sowas sagen die Leute über meine Arbeit? Vielleicht war das im Zusammenhang mit dem „Bare breasted project“, als wir mit nackten Brüsten durch New York gelaufen sind. Ich weiß es nicht. Die Leute sagen ja alles Mögliche im Netz. Ich kümmere mich nicht darum.
Die Huffington Post hat Narcissister „the topless feminist Superhero New York needs“ (die Oben-ohne-Superheldin, die New York braucht) genannt. Kannst du dich damit identifizieren?
NARCISSISTER: Ich war sehr geschmeichelt. Das „Bare breasted project“ in New York City war wahrscheinlich mein direktestes und feministischstes Projekt. Deshalb habe ich wohl dieses Prädikat erhalten. Das ist begeisternd! Ich liebe die Vorstellung, dass Narcissister eine feministische Superheldin ist. Ich habe das zwar so gar nicht beabsichtigt, aber wenn die Leute sie so sehen, dann klingt das wunderbar!
© 2017 BonMoT-Berlin
Fotos: Jon Kwasnyczka
Stage Diven – „Show im Zeichen des X-Chromosoms“
Mittwoch, 12. April, bis Samstag, 15. April 2017, 20 Uhr
ufaFabrik, Theatersaal, Viktoriastr. 10-18, 12105 Berlin, Tempelhof
U-Bahnhof Ullsteinstraße, Linie 6
Telefon 030 – 75 50 30
Homepage ufaFabrik – Narcissister – Stage Diven – World of Friends
UPSIDEDOWN from NARCISSISTER on Vimeo.