Florian Schroeder: „Ausnahmezustand“
von Gilles Chevalier
BERLIN – In den ausverkauften Berliner Wühlmäusen hat Florian Schroeder die Premiere seines Programms „Ausnahmezustand“ gefeiert. Der Spiegel, den er seinem Publikum vorhält, ist diesmal größer und polierter, als in früheren Shows.
Sicherlich ist es den letzten Zügen des Bundestagswahlkampfs geschuldet, dass sich Schroeder eine gefühlte halbe Legislaturperiode lang mit den Standpunkten der Parteien auseinandersetzt – wobei er Die Linke geflissentlich übergeht. Doch das verzeiht das Publikum. Glücklich ist der Saal, als Schroeder zum überdimensionalen Schulterschluss ausholt und postuliert: „Wie sind die Guten!“, weil wir alle schlau, schön und links sind.
Doch auch ein Florian Schroeder hat seine Feindbilder. Die Mütter in seinem Quartier, sagt der Satiriker, seien die Pest. Genauso wie die Touristen aus den USA, Großbritannien oder Spanien. Schließlich sprechen die entweder undeutlich oder kommen nur wegen des billigen Alkohols in die Kneipen von Berlin-P Berg. Und dann die Zugezogenen, vor allem die Schwaben! „Die Zugezogenen sind die Pest!“, ruft Florian Schroeder aus Lörrach. Um dann gleich zu ergänzen: „Ich bin Badener! Ich bin einer von den Guten!“
Und ein Engagierter, wie er in der Geschichte um die Pizzeria erzählt. Dort trafen sich regelmäßig politisch fragwürdige Gestalten. Die Nachbarn baten den Wirt, sich andere Gäste zu suchen. Der Wirt lehnte ab, und so griff man zu härteren Bandagen: zu Schmierereien an den Wänden und dem Boykott
des Lokals. Natürlich nur im Namen der political correctness, die hier ganz kräftig aus dem Ruder läuft. Wie ging nochmal der alte Song von Udo Jürgens mit dem ehrenwerten Haus? Diese Minuten vor der Pause sind die stärksten des Abends.
Selbst die brillanten Video-Einspielungen und die Analyse des Männerbilds anhand solcher Pop-Kameraden wie Matthias Schweighöfer und Revolverheld kommen an diese Eulenspiegelei nicht heran. Es sind Bestandsaufnahmen, die ohne Überhöhungen auskommen. Florian Schroeder ist in der Mitte des Lebens angekommen. Und an mancher Stelle trägt er die dritten Zähne schon auf der Bühne.
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Mit einem coolen Trailer, der dem Aufmacher eines Hollywood-Agenten-Thrillers in nichts nachsteht, wird das Publikum auf den großen Auftritt von Florian Schroeder vorbereitet. Sämtliche fragwürdige Gestalten reihen sich zwischen Kriegs- und Armeebildern. Und Pink Floyds berühmte Hammerarmee von 1979 marschiert. Der Abend wird von der überdimensionalen Leinwand multimedial beherrscht. …
… Es ist in der Politik sowie für politische Kabarettisten nicht immer einfach, es dem Volk recht zu machen.
Eine sehr starke Nummer in Florian Schroeders neuem Programm. Der Fall Luigi Caprese. Er zitiert nicht nur den folgenschweren Ablauf der Geschichte, nein, er nimmt uns in die Gutmenschtragödie mit hinein.
Im zweiten Teil liest er die in der Pause vom Publikum ausgefüllten Karten vor. Warum man gut, warum man böse ist, will Florian Schroeder wissen. …
… „Ich bin gut, weil ich Schroeders FDP-Kritik gut finde, obwohl Schroeder selbst wie ein Lindner auftritt.“ liest Florian Schroeder vor, steht betroffen auf – und sucht den Verfasser im Publikum, da er den Christian Lindner Vergleich schon sehr heftig findet. …
… Viele Kommentare findet Florian Schroeder lustig und nie ist er um eine gute Antwort verlegen. …
… „Ich bin gut, weil ich mein Geld zu Florian Schroeder trage.“ Darauf geht er besonders ein und erklärt dem Publikum, dass ihm ja nichts bliebe, da er 90% der Einnahmen an die Wühlmäuse abtreten müsse und …
… ‚Palimpalim‘-Hausherr sich da auf neue Verhandlungen nicht einließe. Außerdem hätte Herr Hallervorden gesagt: „Wenn ein Kabarettist Geld verdienen wolle, müsse er in der Scheinbar auftreten.“ Die Scheinbar ist eine Berliner Mini-Kleinkunstbühne, auf der viele heute namhafte Künstler einst ihre ersten Bühnenschritte wagten. Auf dem Foto sieht man wie Florian Schroeder Dieter Hallervorden parodiert. …
… Florian Schroeders Parodien sind erlebenswert. Bei seinem Markus-Lanz-Part, legt er sich richtig ins Zeug. Er ist Talkmaster Markus Lanz, Bundestrainer Joachim Löw, Bundesminister der Finanzen Wolfgang Schäuble, TV-Moderator Günther Jauch und aus dem Himmel holt er den immer missmutigen, schon 2013 verstorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki.
Was es mit diesem Leinwandvideoclip auf sich hat, wird der Künstler auf der Bühne persönlich mit ihnen erörtern. …
… ? …

Fotos / Bildkommentare: Carlo Wanka
Homepage Florian Schroeder mit allen weiteren Terminen – Homepage Wühlmäuse

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