von Carlo Wanka
BERLIN – Im vollbesetzten Mehringhof-Theater begrüßt Sebastian 23 smart das Publikum. Der Hinweis, dass er ein Kind der Poetry-Szene ist, haut in Berlin niemanden vom Hocker. Woanders, so Sebastian 23, wäre ein bewunderndes „Aha!“ oder „Oh, krass! Ein Poet“, noch besser „Der feine Herr, was bildet er sich ein? – Schleiche er sich, der Lump!“ zu hören gewesen. Konfus gibt er sich, erklärt, dass er sich selbst ständig ablenkt, und grinst. Seine Interaktion mit dem Publikum ist sympathisch, und daher hat er nach nicht mal zwei Minuten ein Theater voll Fans.
Mit seinen blitzschnellen Gedanken und dem loses Mundwerk nimmt er die Leute mit, erklärt locker, wie Poetry-Slam funktioniert, und dass er nicht gerne verliert, weswegen er heute allein antritt. Immer einen Schalk im Nacken, trägt er seine Lyrik vor, nimmt die Zuhörer und am meisten sich selbst auf den Arm. Nonsens auf hohem Niveau!
In der Geschichte über die neue Plattform Candy-Date, wo man erst mal sein Gegenüber nicht sieht, was ihm entgegenkommt, da Dates nicht immer seine Stärke sind, zeigt er auf wie verquer seine Hirnströme laufen können. Schön der Satz: „… nur weil Brandenburg nicht aus Wasser ist, heißt das nicht, dass Berlin keine Insel ist. …“
„Ich möchte ein Lied spielen zum Einstieg in mein musikalisches Oeuvre, das so ein kleines bisschen, ähm – ja um meinen Facettenreichtum gleich zum Beginn klarstellt und auch deutlich macht, dass ich Worte wie Oeuvre kenne. Es ist so, dass ich Philosophie studiert habe …“ Er greift zur Gitarre und komprimiert fünf Jahre Studium in einen fünf Sekunden langen Song. Und er ist exakt in der Zeit!
Es folgen diverse Songs, die zwar nicht gerade Liedermacherqualitäten aufweisen, dafür aber inhaltlich zum lässigen Konzept von Sebastian Rabsahl einwandfrei passen. Natürlich lässt er sich es nicht nehmen, zum Wahlkampf 2017 einige Anmerkungen zu äußern. Das Alice Weidel eine syrische Asylbewerberin schwarz arbeiten lässt, hält er für das konsequente Verhalten einer AfD-Spitzenkandidatin. Er freut sich auch, dass er diesen Textblock bald aus dem Programm werfen kann. Ein Zuschauer widerspricht und meint: „Es kommt alles wieder.“ Sebastin 23: „Kommt alles wieder? – Außer die Piratenpartei!“ Mit einem populistischen Lied, mit dem Blick auf die Zukunft, von der wir alle träumen, macht er den Wahlsack zu.
Vor der Pause beatboxt er eine Zeile seines Gedichts und erklärt, dass er eine Improtheater-Allergie besitzt. Später erfahren wir, dass er die Pause genutzt hat, um seine eigenen Kommentare bei Facebook zu liken, da es ja sonst niemand macht.
Er ist eine echt coole Socke. Ein kurzweiliger Unterhalter. Er spielt mit sinnlosen Beleidigungen, die er im Internet findet, genauso gewandt wie mit lyrischem Realtalk.
Das Reimpotenzial von Helene Fischer, die für ihn ein „Mensch gewordener Payback-Punkt“ ist, lässt ihn vermuten, dass Goethe sich im Grab umgedreht hätte. Doch dann widerspricht er sich selbst: „Goethe hätte die Alte geknallt, der war gar nicht so. Machen wir uns doch nichts vor!“ Und eben diese fein ziselierten Ansichten, lassen den Zuschauer einen verrückten Weltanschauungsunterricht erleben. Wer bei Sebastian 23 nicht lacht, muss ein Alien sein.
GALERIE:
Fotos: Carlo Wanka
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Homepage: Sebastian 23