Dieter Nuhr: „Nuhr hier, nur heute“
von Carlo Wanka
BERLIN – Nur einer ist derart umstritten wie Dieter Nuhr. Nuhr selbst. Die Meinungen gehen da derb auseinander. Die einen halten ihn für einen oberflächlichen Unterhaltungsclown, die anderen liegen vor Begeisterung am Boden. Dazu ergeben die Neider mit den Bewunderern eine weitere Schnittmenge. Seit dreißig Jahren im Bühnengeschäft, steht er seinen Mann und als Liebling des rbb und der ARD ist er im Fernsehen überpräsent.
Egal ob Comedy- oder Kabarettpreisverleihungen, er moderiert jedes Genre und wird als Trendsetter für neue Humorformate gesetzt. Dieter Nuhr ist ganz oben auf der Kleinkunstkarriereleiter. Und oben auf der Bühne des ausverkauften Theaters der Wühlmäuse startet er seinen neusten Streich – sein abendfüllendes Bühnenprogramm.
Schon der Willkommensapplaus verrät, im Saal sind Nuhr-Fans. „Was machen wir?“, fragt der Meister, „ich richte mich ganz nach Ihnen, ich bin ja beruflich hier.“ „Sagt das nicht der Lehrer?“, schallt es spontan aus den mittleren Rängen. „Ich weiß ja nicht, auf welcher Schule Sie waren! – (Päuschen) – Wenn?“ Der Saal tobt. Er verspricht, da das mit den Wahlen ja eine ungünstige Zeit für ein neues Programm ist, darauf die nächsten drei bis vier Stunden einzugehen. Nach kurzem interanalogem Aufwärmgeplänkel geht er trotz sichtbarer Angespanntheit unaufgeregt in sein Thema. Einige den Parteien gehuldigten klugen Frotzeleien, eine nachdenklich stimmende und doch unterhaltsame Auseinandersetzung zu AfD, Nazis und Erdogan folgen. Ihm geht es heute Abend um die Frage: „In was für einer Welt leben wir? Was sind das für Zeiten?“ Dieter Nuhr hat das Gefühl, als wäre es so: „… dass überall die Irren aus den Ritzen kommen!“ Nuhr vermutet, dass es früher schon ebenso viele Bekloppte gab wie heute, „aber die standen an der Theke und sprachen in ihr Glas.“ Welche schönen einfachen Bilder er benutzt und in die Moderne übersetzt. „Sie hatten genau einen Follower, das war der Wirt!“
Die Finger bluten, die Kamera ist heißgelaufen und die Zuhörer kommen aus dem Lachen nicht mehr raus. Es wäre unsinnig, dieses gelungene, ausgefeilte Programm nur ansatzweise wiedergeben zu wollen. Nach diesem Abend wird wohl der eine oder andere Freund des Nuhr-Bashings mit dem Respekt vor einer reifen Leistung verstummen.
Dieter Nuhr zeigt mit gut gesetzten Gedankenspielen die Problematik auf, die zur Zeit die Diskussion jeder Polittalkrunde belebt – dass wir hier in Deutschland trotz allem Kleinkrieg in einer feudalen Umgebung leben. Klar weist er die Linien auf, wo es so nicht weiter gehen darf, aber er macht auch deutlich, dass wir in der privilegierten Situation sind, solche Entscheidungen gefahrlos zu treffen. Seine zunächst skurril wirkenden Beispiele bestehen und lassen einen nachdenken.
Er hat es auch nicht nötig, die entgleisten Phrasen einiger Politgrößen oder anderer Wichtigtuer wiederzukäuen, er spielt es so geschickt an, dass jeder im Saal ihm folgen kann. Nur eins, das kann er gar nicht: Dialekte! Ob Sächsisch, Türkisch, ach egal, es hört sich immer so nach dem einen Mann an, dem … na ja, Sie werden es schon heraushören, wen er da so treffend parodiert.
Dieter Nuhrs Neues ist gesellschaftskritisch und politisch. Es macht klar, dass gutes Kabarett die Kunst der Comedy nicht ausschließt und umgekehrt.
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Fotos: Carlo Wanka
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